Frau Reize-Wildemann, ist der Fall Rupperswil für Sie Routine?
Auf keinen Fall. Er ist für uns genauso unglaublich wie für alle anderen. Ich bin nach wie vor fassungslos. Ich möchte deshalb wirklich brennend wissen, wer und was dahinter steckt. Das sorgt auch für das riesige Publikumsinteresse. Alle denken: Das kann doch gar nicht sein, so was gibt's nicht.
Wie bringen Sie die Fakten der Polizei mit dem zusammen, das Sie sich ausmalen müssen?
Wir beschränken uns bei der Darstellung auf den Kern, der für die Ermittler von Bedeutung ist. Der Fall Rupperswil spielt ja in einem normalen modernen Wohnhaus, in einer normalen Umgebung. Ob die Bank nun genau so aussieht oder ähnlich, spielt für die Darstellung keine so grosse Rolle.
Sie drehen in Deutschland, nicht in Rupperswil. Wird man das dem Film nicht anmerken?
Wir haben eine grosse Abteilung, die sich um die Ausstattung kümmert. Wir arbeiten etwa mit speziell angefertigten Schildern und Schriftstücken und versuchen, so detailgetreu und realistisch wie möglich zu drehen. Das gelingt uns meistens so gut, dass die Polizisten, die die Fälle vorgeführt bekommen, sagen: Unglaublich, das sieht aus wie bei uns.
Ihr Team recherchierte den Fall akribisch. Wissen Sie mehr als alle anderen?
Nein. Alles, was die Polizei noch nicht an die Öffentlichkeit bringen will, wissen auch wir nicht.
Was können Sie bewirken?
Die Aufklärungsquote aller Fälle über die Jahre liegt bei 42 Prozent. Jetzt ist dieser Fall Rupperswil natürlich sehr aktuell und hat ohnehin eine grosse Öffentlichkeit. Aber die Polizei kann damit dennoch ein grosses Publikum auf einen Schlag ansprechen und ihre Fragen gezielt platzieren. Damit vielleicht irgendjemand irgendetwas beitragen kann, das er weiss oder gesehen hat, aber bislang niemandem gesagt hat. Im Fall Rupperswil können die Ermittler den Fokus so auf Deutschland richten, in der Hoffnung, dass jemand im grenznahen Bereich etwas wissen könnte.
Ein solcher mehrtägiger Dreh ist teuer. Beteiligt sich die Schweiz?
Nein, wir erhalten keine finanzielle Unterstützung aus der Schweiz. Natürlich handelt es sich um einen aufwendigen Filmfall. Aber eben auch um ein besonders schweres Verbrechen und eine unglaubliche Geschichte, der wir bewusst mehr Zeit einräumen wollen als sonst üblich.
Was ist Ihre Motivation?
Wir wollen bei der Aufklärung der Fälle helfen. Wir sehen uns als Journalisten und freiwillige Partner der Polizei. Wir sind Fernsehmacher, die ihr Know-how der Polizei zur Verfügung stellen.
Ist Ihnen bei der Arbeit bewusst, dass Sie es mit echten Schicksalen zu tun haben, dass Ihre Arbeit auch von jenen gesehen wird, die ihre Liebsten verloren haben?
Ja, ständig. Das ist eine grosse Verantwortung, bisweilen auch eine grosse Last. Das weiss jeder Autor und jeder Redakteur. Deshalb verbieten sich auch ganz viele Dinge, etwa Respektlosigkeiten oder überzogene Darstellungen.
Wie zeigt sich das im Umgang auf der Redaktion?
Jeder Kollege und jede Kollegin verbucht es für sich als persönlichen Erfolg, wenn wieder ein Fall aufgeklärt wird. Nicht einmal dem Ausstatter ist es egal, wie dies oder jenes rüberkommt. Jeder empfindet es als «seinen Fall», will seinen Beitrag leisten.
Ein strenger Job?
Ja, aber ein reizvoller. Wir haben eine sehr geringe Fluktuation. Wer seit zehn Jahren dabei ist, ist bei uns neu.
Wie gross ist Ihrer Erfahrung nach die Chance, dass ein Fall wie der Rupperswiler Vierfachmord aufgeklärt wird?
Gross. Da wird so viel Manpower eingesetzt, so viel Technik, so viel Genauigkeit. Irgendwann muss es einen Ermittlungserfolg geben.
(aargauerzeitung.ch)