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Kommentar: Der Anti-Klimaanlagen-Wahn muss aufhören

In der Schweiz eher Mangelware: Nur rund 5 Prozent der Haushalte haben hierzulande ein Klimagerät.
In der Schweiz eher Mangelware: Nur rund 5 Prozent der Haushalte haben hierzulande ein Klimagerät.Bild: Keystone
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Schweissnass retten wir die Welt: Warum der Kreuzzug gegen Klimaanlagen absurd ist

Hitzewellen und kein Ende: In anderen Weltregionen sind kühle Innenräume längst Standard. Wir in der Schweiz schwitzen lieber. Der Anti-Klimaanlagen-Wahn muss endlich aufhören!
05.07.2025, 08:4005.07.2025, 08:41
Fabian Hock / ch media
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Der Schweiss tropft mir von der Stirn, mein Hemd ist klitschnass, der Sitznachbar müffelt, ich wahrscheinlich auch. Aber immerhin ist mein Gewissen rein. Und das der SBB.

Europa ächzt unter der nächsten Hitzewelle, und wieder hört man dieselbe alte Leier: «Fenster zu, Storen runter, viel Wasser trinken.» Aber bloss keine Klimaanlage!

Bei den Bundesbahnen ist man besonders stolz, dass man die Höllenhitze draussen nur auf Höllenvorhofhitze in den Waggons herunterregelt. Das spart nicht nur Geld, sondern wir retten gemeinsam das Klima. Toll! Ein trockenes Hemd wäre mir im Moment viel lieber.

In den SBB-Zügen verringern Klimaanlagen die Temperatur allerhöchstens um zehn Grad. In manchen sind gar keine verbaut. Auch in Wohnungen sind die kühlenden Geräte in der Schweiz eher eine Seltenheit. Zwar steigen auch hier die Verkaufszahlen leicht. Aber kein Vergleich zu anderen Weltregionen: In den USA verfügen rund 90 Prozent der Haushalte über ein Klimagerät. In der Schweiz nur 5 Prozent. Während in Amerika, Asien und im Nahen Osten Kühlung als Selbstverständlichkeit gilt, schwitzen wir lieber weiter. Aus Prinzip.

Dabei ist es doch absurd: In einer Region, in der der Sommer inzwischen regelmässig 35 Grad und mehr bringt, wird der Einsatz von Klimageräten verteufelt. Vielen gelten die Anlagen als Symbol des Exzesses, als Energieverschwender, als Klimasünder. Der Effekt? Büros werden zur Sauna, Altenheime zur Gefahrenzone und Schlaf wird zum Luxusgut. Für ältere Menschen kann das tödlich enden. Tatsächlich ist die Zahl der Hitzetoten in Europa mehr als viermal höher als in den USA.

Wer den Klimawandel bekämpfen will, muss ihn erst mal aushalten können

Natürlich verbrauchen Klimaanlagen Strom. Doch es ist längst möglich, Geräte mit effizienter Technologie und Strom aus erneuerbaren Quellen zu betreiben. Das eigentliche Problem ist also nicht die Technik, sondern die ideologische Aufladung.

Statt nüchtern abzuwägen, was in einem heisser werdenden Klima nötig und sinnvoll ist, wird in Teilen Europas ein moralischer Kreuzzug gegen die Kühlung geführt.

Dabei ist es doch so: Wer den Klimawandel bekämpfen will, muss ihn zuerst mal aushalten können. Und zwar so, dass Menschen nicht reihenweise kollabieren. Dazu gehört der pragmatische Einsatz moderner Kühltechnik, in öffentlichen Gebäuden, Schulen, Pflegeeinrichtungen, Büros und auch im Zug. Klimaanlagen sind kein Luxus mehr. Sondern Teil der Anpassung an eine neue Realität.

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403 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FJ97
05.07.2025 08:55registriert August 2022
Bei den SBB finde ich interessant, dass die Klimaanlage im Sommer nur reduziert läuft, aber im Winter in der S-Bahn völlig unnötig zu heizen ist kein Problem.
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coldface
05.07.2025 08:57registriert November 2022
Ein effizientes Split-Klimagerät vom Profi, das aus der PV-Anlage auf dem Dach gespeist wird, ist eigentlich eine gute Sache und in der Übergangszeit kann man damit sogar schon heizen, ohne gleich die Zentralheizung anzuschmeissen.
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Töffli-Gang
05.07.2025 08:49registriert Oktober 2018
Aus meiner Sicht müsste es in Wohnblocks auch zentrale Klimaanlagen geben, und nicht dass aus jedem Fenster ein Schlauch guckt oder sonst wie und beim Umzug wieder aufwändig abgebaut werden müssen.
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