Oberste Richterin Polens verweigert Entlassung durch Präsident Duda

Oberste Richterin Polens verweigert Entlassung durch Präsident Duda

03.07.2018, 18:0403.07.2018, 18:04

Wenige Stunden vor ihrer geplanten Zwangspensionierung trotzt die oberste Richterin Polens der Regierung und weigert sich, ihren Posten aufzugeben. Sie werde nicht den Hut nehmen, sagte Malgorzata Gersdorf am Dienstagmorgen dem Privatsender TVN24.

«Ich fühle mich als Präsidentin bis 2020.» Gersdorf war für den Nachmittag in den Präsidentenpalast einbestellt, um ihre Entlassungsurkunde entgegenzunehmen. Vor Studenten an der Universität Warschau sprach sie von einer «Säuberung» am Obersten Gericht durch die nationalkonservative Regierung.

Die EU-Kommission in Brüssel hatte am Montag wegen der umstrittenen Justizreform ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Es gehe darum, die «Unabhängigkeit des Obersten Gerichts zu schützen», sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas.

Das umstrittene Gesetz schickt 27 der mehr als 70 Richter ab Mittwoch in den Ruhestand. Sie sind älter als 65 Jahre; bisher lag die Altersgrenze bei 70 Jahren. 16 von ihnen haben Präsident Andrzej Duda aufgefordert, ihr Mandat zu verlängern. Er kann das Gesuch ohne Angabe von Gründen ablehnen.

Einige der Richter wie Gersdorf haben bereits angekündigt, die Zwangspensionierung nicht zu akzeptieren und auf ihren Posten bleiben zu wollen. Am Dienstagabend werden Massenproteste von Unterstützern der Richter vor dem Obersten Gerichtshof erwartet. Um Mitternacht tritt die umstrittene Reform in Kraft. Am Mittwoch soll es weitere Proteste geben.

EU-Kritik

Das bereits vom Parlament verabschiedete und von Duda unterzeichnete Gesetz zählt zu den umstrittenen Justizreformen, deretwegen die EU-Kommission seit 2016 gegen die Regierung in Warschau vorgeht. Die EU-Kommission kritisiert, die Reformen würden die Unabhängigkeit der Justiz beschneiden und die Gewaltenteilung untergraben. In dem erzwungenen früheren Ruhestand eines Teils der Richter sieht Brüssel eine rote Linie überschritten.

Anfang 2016 leitete Brüssel erstmals in der EU-Geschichte ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit ein, als Warschau die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Im Dezember folgte dann ein Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet.

Das Vertragsverletzungsverfahren kann zumindest theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Das Votum darüber muss allerdings einstimmig fallen. Das ebenfalls rechtskonservativ regierte Ungarn hat bereits angekündigt, Sanktionen gegen Warschau nicht mitzutragen. (sda/afp)

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