Im Irak fliehen Tausende wehrlose Zivilisten vor Kämpfen. Nun soll die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach UNO-Angaben im Nordirak bis zu 3000 Menschen auf der Flucht gefangen genommen haben, um sie als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Wie das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am Freitag weiter berichtete, sollen die Menschen bereits am Donnerstag vor heftigen Kämpfen in der Provinz Kirkuk geflohen sein. Mindestens zwölf Flüchtlinge sollen getötet worden sein. Die Hilfsorganisation stützt sich auf nicht näher bezeichnete Berichte, die sie aus dem Konfliktgebiet erhalten habe.
Die Irakische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (IOHR) berichtete von 1900 Zivilisten, die aus der Stadt Al-Hawidscha, rund 60 Kilometer westlich von Kirkuk, geflohen seien. Schätzungsweise 100 bis 120 IS-Kämpfer hätten sie aufgehalten und entführt. Dutzende seien getötet worden, sechs von ihnen sollen verbrannt worden sein. Die Menschenrechtsbeobachter im Irak arbeiten nach eigenen Angaben mit Journalisten und Aktivisten in den Regionen zusammen, die wiederum mit Augenzeugen vor Ort in Kontakt stehen.
Kirkuk ist das Zentrum der irakischen Öl-Industrie. Die Gegend im Süden und Westen der Stadt soll nach Angaben der Aktivisten seit Juni 2014 unter IS-Kontrolle stehen. Vor zwei Wochen hätten irakische Sicherheitskräfte begonnen, den Bezirk zu belagern und gegen den IS vorzugehen.
Schreckliche Zustände
Augenzeugen berichteten den Menschenrechtsbeobachtern von schrecklichen Zuständen. Die Bewohner seien vom IS als menschliche Schutzschilde missbraucht worden. Viele Menschen, unter ihnen vor allem Frauen und Kinder, seien wegen des Mangels an Nahrung, Wasser und Medizin gestorben.
Insgesamt seien durch Kämpfe im Irak seit Januar 2014 fast 3.4 Millionen Menschen aus ihren Wohngebieten vertrieben worden, heisst es in dem UNHCR-Bericht. Die Hilfsorganisationen unternehme grosse Anstrengungen, um ihre Unterbringung und Versorgung zu unterstützen. So baue sie unter anderem zwei Flüchtlingslager im Norden Kirkuks für insgesamt rund 21'000 Menschen auf.
Zugleich beklagte das UNHCR, dass es nicht genügend Geld für die humanitäre Hilfe gebe. Von den für dieses Jahr erbotenen 584 Millionen Dollar zur Unterstützung von irakischen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen seien bislang erst 37 Prozent bereitgestellt worden.
Regelmässige Entführungen
Der IS entführt immer wieder Flüchtlinge und Bewohner im Irak und in Syrien. Im Sommer 2014 rückten die Dschihadisten auf die Stadt Sindschar vor und trieben Tausende Menschen in die Flucht, darunter vor allem Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden. Mehr als 7000 Frauen und Kinder gerieten nach dem Massaker in die Geiselhaft des IS. Auch Christen werden immer wieder von den Terroristen entführt.
Neben religiösen Minderheiten werden aber auch Zivilisten oder gezielt bestimmte Berufsgruppen entführt. In die Tausende geht ihre Zahl. Während manche verschleppt werden, um von den Familien Lösegelder zu erpressen, verschwinden andere, um jede Art von staatlichem Fundament im Hoheitsgebiet des IS zu erschüttern. Medien berichten von Hunderten Ärzten, Polizisten, Anwälten und Journalisten, die in den vergangenen Jahren im Irak und in Syrien verschwanden. (sda/dpa/reu)