Die USA haben Gefangene gefoltert, das ist bekannt. Auch die Foltermethoden wurden bis ins kleinste Detail beschrieben, etwa das Waterboarding, bei dem das Opfer denkt, es ertrinke. Eigentlich dürften die Details des Untersuchungsberichts über die Misshandlung von Terrorverdächtigen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 also niemanden mehr überraschen. Und doch haben die Verantwortlichen grosse Angst vor der Veröffentlichung – aus unterschiedlichen Gründen.
Die Publikation ist für Dienstag geplant, von den knapp 6000 Seiten des Untersuchungsberichts sollen etwa 500 Seiten öffentlich werden. Doch es gibt viele Stimmen, die das verhindern wollen. Die Kritiker glauben, dadurch würden die USA einem grossen Risiko ausgesetzt werden. Senator Mike Rogers, ein Republikaner, sagt : «Ich denke, das ist eine schreckliche Idee. Die Staatschefs anderer Nationen und unsere eigenen Experten haben uns gesagt: Wenn ihr das macht, wird das zu Gewalt und Tod führen.»
Im Weissen Haus ist man sich der Gefahr durchaus bewusst, doch man habe viele Monate Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Deshalb dürften die Ängste kein Grund für eine Verzögerung sein. «Wann ist denn eine gute Zeit, um den Bericht zu veröffentlichen?», fragte Sprecher Josh Earnest.
Doch welche Sorgen und Befürchtungen haben die USA eigentlich?
Das Weisse Haus hat vor einem erhöhten Anschlagsrisiko für US-Einrichtungen weltweit gewarnt. Die USA bereiten sich auf mögliche Unruhen im Ausland vor, auch wenn Experten davon ausgehen, dass die Folterdetails weniger Unruhe auslösen werden als etwa die Mohammed-Karikaturen. Dennoch hat das Verteidigungsministerium seine Kommandeure aufgerufen, Vorsichtsmassnahmen zum Schutz von Soldaten und Einrichtungen, wie etwa Botschaften, zu treffen.
Noch immer sind US-Bürger in unterschiedlichen Teilen der Welt in der Hand von Extremisten und Terroristen. Die USA schliessen Lösegeldverhandlungen aus. Stattdessen setzen sie auf hartes Durchgreifen – auch wenn das mit einem hohen Risiko verbunden ist, wie kürzlich bei der gescheiterten Befreiung von Luke Somers offensichtlich wurde. Die Veröffentlichung der Folterdetails könnte die Gefahr für die Geiseln vergrössern.
Die USA gerieren sich gerne als Anführer der freien Welt, als Vorbild und moralische Instanz. Details über Folter und Misshandlung von Gefangenen beschädigen dieses Bild. Die Befürchtung: Terroristen könnten die Informationen für ihre Propaganda nutzen. Schon jetzt geschieht das, die vom Islamischen Staat medienwirksam enthaupteten US-Bürger trugen orangefarbene Anzüge – eine Anspielung auf die Häftlingskleidung im US-Gefangenenlager Guantanamo.
Das stärkste Argument der Folterbefürworter war stets, dass es die einzige Möglichkeit sei, um an Informationen zu gelangen, die Menschenleben retten können. Das ist wohl auch der Grund, warum der damals verantwortliche US-Präsident George W. Bush und sein Stellvertreter Dick Cheney die Verhörmethoden in diesen Tagen noch einmal deutlich verteidigen.
Doch US-Medienberichten zufolge enthüllt der Bericht, dass der Geheimdienst das Weisse Haus über Erfolge und Details des Programms im Unklaren liess. Mehr noch: Er soll zu dem Schluss kommen, dass die Verhörpraktiken im Wesentlichen wirkungslos waren und die CIA Regierungsbeamte über den Erfolg des Programms täuschten.
Vor der Veröffentlichung eines US-Senatsberichts über Foltermethoden in geheimen CIA-Gefängnissen hat US-Präsident Barack Obama mit der polnischen Regierungschefin Ewa Kopacz telefoniert. Beide Seiten hofften, dass der Bericht «die beiderseitigen Beziehungen nicht negativ beeinflusst», teilte die Warschauer Regierungskanzlei mit.
Der Hintergrund: Auf einem Armeestützpunkt in Polen soll die CIA ein Gefängnis betrieben haben. Ermittlungen der polnischen Militärstaatsanwaltschaft zu den Vorwürfen, die seit Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden, laufen immer noch.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte Polen im Juli zur Entschädigung zweier Guantánamo-Häftlinge wegen Freiheitsberaubung und Beihilfe zur Folter in einem geheimen CIA-Gefängnis im Nordosten des Landes verurteilt. (bka)