Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat die britische Premierministerin Theresa May angesichts der drohenden Verluste ihrer Partei bei der Parlamentswahl zum Rücktritt aufgerufen. May habe Parlamentssitze, «Unterstützung und Vertrauen verloren», sagte der Labour-Chef.
Die konservative Regierungschefin müsse abtreten und Platz machen für eine «wirklich repräsentative Regierung», fügte Corbyn am Freitagmorgen hinzu, der im Wahlkreis Islington North sein Parlamentsmandat verteidigte. Mays Tories gehen geschwächt aus der vorgezogenen Neuwahl hervor. Nachwahlbefragungen zufolge wurden die regierenden Tories zwar erneut stärkste Kraft, verloren aber die absolute Mehrheit.
Premierministerin May sagte, sie wisse, dass das Land eine Periode der Stabilität brauche. Wenn die Prognosen richtig seien und ihre Konservativen die meisten Stimmen gewinnen würden, würden die Tories Stabilität liefern.
Schwierige Regierungsbildung
Die oppositionelle Labour-Partei gewann den Prognosen zufolge deutlich hinzu. «Was immer das endgültige Ergebnis sein wird, unser positiver Wahlkampf hat die Politik zum Besseren verändert», teilte Corbyn per Kurznachrichtendienst Twitter mit. Das amtliche Endergebnis wird am Freitagnachmittag veröffentlicht.
Zehn Tage vor dem Beginn der Brexit-Verhandlungen zeichnet sich nun eine schwierige Regierungsbildung in Grossbritannien ab. Nach Bekanntwerden der Prognosen verlor das britische Pfund zum Dollar bis zu 1.9 Prozent.
Schlechte Aussichten für Ukip
Nach Hochrechnungen könnte May mit ihren Konservativen die absolute Mehrheit verloren haben. Die BBC sah die Tories bei 322 Sitzen, das würde nicht für eine alleinige Regierungsmehrheit reichen. Rechnungen im Auftrag der Nachrichtenagentur PA sahen die Konservativen dagegen nach der Auszählung der ersten 100 von 650 Wahlkreisen bei 330 Sitzen. Damit könnte Mays Partei ohne Partner an der Macht bleiben. Die kritische Marke liegt bei 326 Sitzen.
Die Liberaldemokraten gewännen den Prognosen zufolge Mandate, die EU-feindliche United Kingdom Independence Party (Ukip) würde ihren einzigen Sitz im britischen Unterhaus verlieren.
Absage bei Liberaldemokraten
2010 hatten sich die Tories unter Mays Amtsvorgänger David Cameron mit den Liberaldemokraten zusammengetan. Eine solche Koalition schliessen die Liberaldemokraten nun aus. «Wir bekommen eine Menge Anrufe, um ganz klar zu sein: Keine Koalition, keine Deals», hiess es auf der Twitter-Seite der Pressestelle der Liberaldemokraten.
Zu Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen bereit wäre dagegen die Partei der nordirischen Protestanten der DUP (Democratic Unionist Party). Das deutete der DUP-Politiker Jeffrey Donaldson an, der sich für die Partei um einen Sitz im britischen Parlament beworben hat. «Natürlich werden wir mit ihnen (den Konservativen) über ihren Wunsch sprechen, eine Regierung zu bilden», sagte Donaldson der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge. (sda/dpa/afp/reu)