Reissende Wildbäche und Bergstürze haben vor rund 25 Millionen Jahren das Bild der heutigen Alpen zu prägen begonnen. Mit digitalen Technologien konnten Berner Forscher diese Entwicklung anhand versteinerter Flussläufe erstmals rekonstruieren.
Die heutigen Alpen mit ihren V-förmigen Tälern und steilen Talflanken entstanden - geologisch betrachtet - in einem kleinen Zeitraum von nur fünf Millionen Jahren. Zu diesem Schluss kamen Berner Geologen, als sie die Gesteine rund um die Rigi untersuchten, wie die Universität Bern am Dienstag mitteilte.
Die Rigi besteht aus versteinertem Flussschotter, welcher von der Ur-Reuss aus den Alpen ins Mittelland transportiert wurde und so die Landschaftsgeschichte dokumentiert. Damit war es zum ersten Mal möglich, die Entwicklung der alpinen Landschaft im Detail zu rekonstruieren, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift «Scientific Reports» berichten.
Die Ur-Reuss entsprang vor 30 Millionen Jahren einer hügeligen Landschaft, vergleichbar mit dem heutigen Schwarzwald. Im heutigen Rigi-Gebiet liegen Schicht für Schicht versteinerte Flussläufe der Ur-Reuss, die damals durch diese Landschaft floss. Diese mehrere Tausend Flussläufe haben sich im Lauf der Zeit zu harten Gesteinen, sogenannten Nagelfluhbänken, verbacken.
Tausende Nagelfluhbänke vermessen
Gerölle, welche die Flüsse in das Gebiet der heutigen Rigi transportierten, sind heute in den Nagelfluhbänken eingeschlossen. Das Forscherteam um Philippos Garefalakis vermass jede einzelne Bank und über 5000 Flussgerölle vom Fuss bis zum Gipfel der Rigi.
Es zeigte sich, dass die versteinerten Flussläufe am Fuss der Rigi 30 Millionen Jahre, die auf dem Gipfel 25 Millionen Jahre alt sind. Zudem sind die Flussläufe unten am Berg zwei bis vier Meter tief und bestehen aus faustgrossen Geröllen. Auf der Spitze bestehen die Flussläufe aus kopfgrossen, chaotisch gelagerten Geröllblöcken mit einer Tiefe von weniger als einem Meter.
Dramatische Veränderung
Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass die Ur-Reuss im Laufe von fünf Millionen Jahren einen Wildbachcharakter angenommen und eine kilometerbreite Schotterebene gebildet hatte. «Die Landschaft im Quellgebiet der Ur-Reuss muss sich dramatisch verändert haben», wird Garefalakis in der Mitteilung zitiert.
Die einstige Auenlandschaft wurde immer steiler und die Flüsse transportierten mehr Geröll. Ausgelöst wurde die einschneidende Veränderung durch eine starke Hebung der Alpen im Einzugsgebiet der Ur-Reuss.
Für ihre Analyse vermassen die Forscher Tausende von verbackenen Flussgeröllen. Mit konventionellen Methoden wäre dies kaum zu bewältigen. «Dank dem Einsatz digitaler Technologien waren wir zum ersten Mal in der Lage, diese grosse Datenmenge zu erheben», so Garefalakis.
Dabei wurden Gesteine im Gelände fotografiert und anschliessend mit dem Computer halbautomatisch vermessen. So soll es in Zukunft möglich sein, auch die anderen Flussablagerungen am Alpenrand quantitativ zu untersuchen. (sda)