In 100 Tagen im Elysée-Palast hat Emmanuel Macron, von Spöttern manchmal als «Sonnenkönig» tituliert, einiges an Glanz verloren. Während Frankreichs junger Staatschef im Ausland weiter fasziniert, sieht der politische Alltag in seiner Heimat weniger rosig aus.
Seit seinem triumphalen Wahlsieg im Mai musste der 39-Jährige mehrere Krisen durchstehen, an seinen Spar- und Reformmassnahmen entzündet sich Kritik, seine Beliebtheitswerte stürzen ab. Das Image des dynamischen Hoffnungsträgers, dem alles gelingt, hat einige Kratzer abbekommen.
Dabei hat der jüngste Präsident der französischen Geschichte seit seinem Amtsantritt mehrere Wahlkampf versprechen umgesetzt oder in die Wege geleitet. Im Eiltempo wurde ein Gesetz für mehr Moral in Frankreichs skandalgeplagter Politik verabschiedet, das Parlamentariern eine Beschäftigung von Familienmitgliedern verbietet. Eine Arbeitsmarktreform soll im Herbst in Kraft treten.
Auch mit seinem souveränen Auftreten auf internationalem Parkett hat sich der Pro-Europäer schnell Respekt verschafft: US-Präsident Donald Trump trat er mit einem berühmt gewordenen Endlos-Händedruck entgegen, von Russlands Staatschef Wladimir Putin zeigte er sich bei einem Treffen in Versailles ebenfalls nicht eingeschüchtert.
Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zelebriert er eine Freundschaft, die an die Glanzzeiten der deutsch-französischen Beziehungen als Motor für Europa erinnert - von «Euphorie und Begeisterung» ist in Berlin die Rede.
Beliebtheit Macrons rasant gesunken
Im kompletten Gegensatz dazu stehen Macrons Beliebtheitswerte beim eigenen Wahlvolk: Nur noch rund 36 Prozent der Franzosen schätzen die Arbeit des sozialliberalen Präsidenten, der am Montag auf 100 Tage im Amt zurückblicken kann. Einen so schnellen Absturz in Meinungsumfragen hatte bislang nur der einstige Präsident Jacques Chirac 1995 erlitten.
Angesichts der enorm hohen Erwartungen an den Überflieger Macron sei das trotz einer bislang «erfreulichen» Bilanz wenig überraschend, sagt Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg.
«Nun kommt der Heiland und es sind keine Wunder geschehen - da ist es normal, dass etwas Enttäuschung herrscht.» Macrons Fall in den Meinungsumfragen habe etwas von Ikarus: «Wer zu hoch fliegt, kann auch abstürzen.»
«Die Schonfrist für Emmanuel Macron ist vorbei», konstatiert der französische Meinungsforscher Jérôme Fourquet. «Er trägt jetzt die politischen Kosten seiner Entscheidungen.»
Eine der wichtigsten Entscheidungen des neuen Präsidenten war es, erstmals seit einem Jahrzehnt wieder die EU-Defizitgrenze einhalten zu wollen - auch wenn dafür zusätzliche Einsparungen von 4.5 Milliarden Euro nötig sind. Dass er damit zahllose Menschen gegen sich aufbringt, ist wenig überraschend.
Sparzwänge waren aber nicht das einziges Problem des Präsidenten. Im Juni, Macrons Newcomer-Partei hatte gerade einen überragenden Sieg bei der Parlamentswahl eingefahren, verliessen vier seiner Minister wegen verschiedener Affären die Regierung - nicht gerade ein Ruhmesblatt für einen Staatschef, der einen politischen Neuanfang mit unbescholtenem Personal versprochen hatte.
Vorwurf der Selbstherrlichkeit
Ein noch grösseres politisches Erdbeben löste der Rücktritt von Generalstabschef Pierre de Villiers im Juli aus. Macron hatte den angesehenen Fünf-Sterne-General zuvor im Streit über Einsparungen bei der Armee öffentlich zurechtgewiesen und musste sich einen autoritären, selbstherrlichen Regierungsstil vorwerfen lassen.
Gegenwind dürfte der Präsident bald bei der Lockerung des Arbeitsrechts bekommen. Radikale Gewerkschaften und der linke Volkstribun Jean-Luc Mélenchon wollen gegen die Reform mobil machen, die sie als neoliberal inspirierte Zerstörung von Arbeiterrechten anprangern.
Doch die Streiks und Proteste dürften sich in Grenzen halten und Macrons bislang wichtigstes Vorhaben nicht stoppen. Der Präsident setzt darauf, dass die Reform im Kampf gegen Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit schnell Früchte trägt - und seine Beliebtheitswerte dann wieder nach oben gehen. (sda/afp)