Wann hast du zum letzten Mal Pastetli mit Brätkügeli gekocht?
Oder zum letzten Mal Gästen ein festliches Partyfilet aufgetischt?
Und wie viele Restaurants kennt ihr, die Zigeunerschnitzel servieren?
Die Antworten lauten vermutlich: 1. Lang, lang ist's her. 2. Noch nie. 3. Mir kommt jetzt grad keins in den Sinn.
Zeiten ändern sich, Geschmäcker auch, und wenn man ganz ehrlich ist: Das ist auch gut so. Allzu sehr trauern wir dem «Sulzkuchen» nicht nach, denn das Green Curry beim Thai-Take-away ist nun mal schlicht und einfach leckerer.
Trotzdem: Gerichte aus der Kindheit werden immer wohlige Erinnerungen aufkommen lassen, weshalb wir hier eine Auswahl Schweizer Menüs von anno dazumal Revue passieren lassen, bevor sie endgültig in der Kloschüssel der Kochgeschichte verschwinden: Gerichte aus einer Zeit, als man der festen Überzeugung war, «Paprika edelsüss» sei «rassig», auf ein asiatisches Gericht gehöre stets eine gebratene Banane und frische Kräuter wären höchstens als Tellerdekoration zu benutzen. En Guete!
So stellte sich die Schweiz den Fernen Osten vor: Eine Art Zürcher Geschnetzeltes an milder Curry-Rahmsauce. Und damit das Ganze so richtig, richtig asiatisch rüber kam, fügte man ein paar exotische Früchte hinzu: Banane (gebraten), Ananas (aus der Büchse) und eine Cocktail-Kirsche auf einem Sahnehäubchen. Ab 1952 stand dieses Gericht auf der Speisekarte der Mövenpicks-Restaurants. Noch in den Neunzigerjahren war es Standard in Schweizer Gaststätten. Heute sucht man es vergeblich. Zeit für ein Revival dieses urschweizerischsten aller Nachkriegsmenüs!
Diese Betty-Bossi-Erfindung, 1977 erstmals dem breiteren Publikum präsentiert, verbreitete sich pandemisch über die Schweiz: Schweinefilet-Medaillons, in Bratspeck gewickelt und mit Aromat, weissem Pfeffer und dem obligaten «Paprika edelsüss» bestreut. Dazu noch eine Sauce aus Rahm, Ketchup und Cognac. Das schreit doch förmlich nach Party!
Die klassische Dessertroulade wird wohl nie ganz aussterben. Doch die Allgegenwärtigkeit, die sie in den Siebziger- und Achtzigerjahren genoss, wird nicht so schnell zurückkehren. Unseren Kindern sind da Brownies oder Donuts geläufiger.
Die knusprigen Pastetli mit der sämiger Brätkügeli-Champignon-Sauce ist eines dieser Gerichte, die heute fast nur noch in Konzernkantinen und Uni-Mensen erhältlich sind. Selbst unsere Grossmütter trauen dem merkwürdigen Fleischverarbeitungs-Derivat aus der Büchse nicht mehr so recht über den Weg.
Heute nennt man sowas Involtini. Und man ist von der interessanten Idee weggekommen, dass ein gerolltes Fleischplätzli am besten mit Fleisch (Specktranche) und nochmals Fleisch (Brät) zu füllen wäre. Lecker ist's vielleicht, doch dieses Traditionsgericht verschwindet immer mehr aus der Schweizer Küche, denn die Vorbereitung ist aufwändig: Weil die Vögel nach dem Anbraten ewig im Bier- oder Fleischsud schmoren müssen, greift mancher eidgenössische Koch lieber zur Saltimbocca.
Die gelungene Kombination von Fett (Cervelat) mit Fett (Käse) und Fett (Speck). Mmh, wer hat gerade Lust? Du auch nicht?
Lag das Schnitzel unter einer Sauce aus Büchsen-Peperoni begraben, nannte man dies «nach Zigeunerart». Denn diese armen Kinder der Landstrasse, hach, die können einfach nicht genug von dem Paprikazeugs bekommen, oder?
Was, bitte sehr, soll an einem schlichten Schinken-Käse-Toast falsch sein? Glaubt da wirklich jemand, durch das Hinzufügen einer Scheibe Büchsenananas und einer Cocktailkirsche sei das Mahl verbessert worden? Offenbar entstammt dieses Rezept der deutschen Küche der Fünfzigerjahre, wo überzuckerte Ananasscheiben einen Hauch einer schöneren, exotischen Welt unter Palmen versprach. Wie Hawaii irgendwie.
Schweinenetz – so nennt man diese adrige Einwickelung. Und, ja: Es ist aus dem Bauchfell eines Tiers. Der Inhalt: Brät und etwas Schweins- oder Kalbsleber. Daran gibt es nichts auszusetzen, aber den Massengeschmack trifft es schon lange nicht mehr, ebensowenig wie...
Es ist ja an sich löblich, dass, wenn man schon ein so schönes Tier wie ein Kalb, Schwein oder Lamm schlachtet, dann gefälligst auch so viel wie möglich davon verwertet. Dazu gehören selbstverständlich die Innereien, die unter Gourmets ohnehin als die wahren Delikatessen gelten. Doch Otto Normalverdrücker, der heute eine grössere Auswahl an zugänglicheren Fleischstücken vorfindet, mundet's nicht mehr so sehr.
Mit Zunge verhält es sich ähnlich. Letztlich mögen die Wenigsten etwas essen, das jemand anders vorher schon im Mund gehabt hat.
Nicht ganz Risotto, nicht ganz Trockenreis, sondern ein halbherziges, pampiges Zwischending, das in den Sechziger- und Siebzigerjahren öfter auf dem Tisch stand.
Ribel gehören vielleicht nicht ganz in diese Liste, ist das Gericht doch das klassische Arme-Leute-Essen des Rheintals; etwas Urtümliches, das nicht so recht zwischen Riz Colonial und Toast Hawaii passen will. Doch manch eine Ostschweizer Grosi ass Ribelmais – eine Art trockene Polenta, die man gerne mit etwas Zucker und Zimt beträufelte und mit Apfelmus genoss – zum Znacht und die Reste dann im Morgenkaffee. Heute hat nicht einmal das Restaurant, das sich Ribelhof nennt, sowas auf der Karte.
1979 war das der Inbegriff von Luxus: Aufgetaute Crevetten, in eine Ketchup-Mayonnaise-Sauce getränkt. Heute sucht man das Gericht in Toprestaurants vergeblich, und es wird auch bei der Einladung zum Nachtessen bei der Familie des Geschäftskollegen nie serviert. Langsam wäre es Zeit für ein Revival! Spitzenköche wie Jamie Oliver und Co. liefern uns bereits das Rezept dazu, diesmal mit richtiger Mary-Rose-Sauce!
Früher ass man sowas. Schaut euch das mal an. Schaut ruhig mal hin.
Aus Österreich und Bayern kam diese Mehlspeise... und hat sich seit geraumer Zeit auch wieder dorthin zurück verzogen.
Risibisi hingegen kam aus Norditalien, wo es unter Zugabe von Prezzemolo und Parmesan als Risottovariation genossen wurde und wird. In der Schweiz angelangt, verlor es die sämige Weissweinnote und etablierte sich als Kindermenü. Ab und an wird es in Kindertagesstätten heute noch gekocht. Und siehe da: Die Kids mögen es.
Die schweizerische Version von French Toast (der übrigens nicht französisch ist): Eine super Sache, die leider immer seltener anzutreffen ist.
Es gab eine Zeit, da waren Bananen exotisch. Pfirsiche waren ein Luxus, den es nur im überteuerten Marinello während kurzer Sommerwochen gab, Passionsfrucht kannte man nur als Geschmacksnote der Passaia-Limonade und Kiwis existierten schlicht und einfach noch nicht. Und einen Fruchtsalat zuzubereiten, ging so: Man fügte einer Büchse «Tropical Fruchtcocktail» ein paar Apfelschnitze bei.
Und wenn wir schon bei Dosen sind...
Da können noch so viele Hipster in einem Anflug von postmoderner Ironie verkünden, «Also ich hab Ravioli aus der Büchse gern!». Kommt, ihr wollt doch nur angeben. Denn: Objektiv betrachtet ist dieser Favorit der Militärfeldküche seit je her ein Unding. Jeder, der mal in Italien war und in einer halbwegs anständigen Beiz halbwegs anständige Ravioli gegessen hat, weiss, dass das mediterrane Original besser als dieses Fertigmenü aus weichgekochten Teigwaren in süsser Tomatensauce ist. In einer Zeit, in der jede Coop-Filiale die leckere Frischpasta von Giovanni Rana anbietet, ist die Daseinsberechtigung der Schweizer Pastadose ohnehin mehr als fragwürdig.
Die Haferschleimsuppe wurde von unseren Grosis als patentes Mittel gegen Magenbeschwerden gepriesen. Geschmeckt hat sie uns deswegen noch lange nicht.
Äpfel, gefüllt mit Hackfleisch, auf Sauerkraut im Ofen überbacken: Ein perfektes Menü für kalte Wintertage. Heute ist bildlich gesprochen nur noch Sommer.
Kaum jemand kocht noch Apfelrösti – dabei ist sie hervorragend, um hart gewordene Brotreste und schrumpelig gewordene Äpfel zu verwerten. Mit etwas Zucker und Zimt mit Butter angebraten – die Quintessenz des Schweizer Bauerntums!
Aus der anderen gesellschaftlichen Ecke kommt dieses Dessert, das einem bis in den Siebzigerjahren vorzugsweise in schicken Hotels und bei der vornehmen Tante zuhause angeboten wurde. Heute haben Panna cotta, Crema catalana und Crème brûlée diesem französischen Dessert mit Mandelnote den Garaus gemacht.
Es gab eine Zeit, da versuchten die Hausfrauen Mitteleuropas ihre Sippschaft davon zu überzeugen, dass der Römertopf – gewissermassen der Steamer der Siebziger – eine gute Idee sei. Die Kinder und Ehegatten waren wenig begeistert. Obiges Bild sagt schon alles: Das Hähnchen war leider nicht so lecker knusprig wie das aus dem Ofen. Und Fleisch und Gemüse, die man auf konventionelle Art stundenlang mit Bratensaft begoss, waren ebenfalls geschmacksintensiver als das wässrige Zeugs, das der Römertopf hergab.