Nach mehr als drei Jahren in der Gewalt islamistischer Entführer können 82 Schulmädchen aus Nigeria endlich zu ihren Familien zurückkehren. Die Islamistengruppe Boko Haram liess die Mädchen frei, im Gegenzug kamen mehrere inhaftierte Boko-Haram-Kämpfer frei.
Der Austausch war in Verhandlungen unter internationaler Vermittlung - darunter die Schweiz und das IKRK - vereinbart worden. Die Mädchen gehören zu einer Gruppe von mehr als 200 Schülerinnen, die 2014 in der Stadt Chibok entführt worden waren.
Am Sonntagmorgen wurden die Mädchen an Bord von sechs Armeehelikoptern aus der Ortschaft Banki in Nordnigeria in die Provinzhauptstadt Maiduguri gebracht, wie das Militär mitteilte. Von dort sollten sie in die Hauptstadt Abuja weiterfliegen, wo Präsident Muhammadu Buhari sie noch am Sonntag empfangen wollte.
Zu den im Gegenzug freigelassenen Boko-Haram-Kämpfern wurden offiziell keine Angaben gemacht. Dabei soll es sich um drei inhaftierte Staatsbürger des Tschad handeln, die in der Gruppe führende Posten bekleidet hatten.
Den meisten Mädchen geht es gut
Zum Befinden der freigelassenen Schülerinnen gab es zunächst nur wenige Informationen. Der nigerianische Senator Shehu Sani berichtete, den meisten gehe es gut. Ein Sicherheitsvertreter in der Stadt Banki sagte der Nachrichtenagentur AFP, manche der Mädchen wirkten abgemagert.
«Eines der Mädchen hatte ein Baby bei sich, einen Jungen von unter zwei Jahren», fügte er hinzu. Auch frühere Freigelassene hatten bereits Kinder bei sich, die in der Geiselhaft gezeugt worden waren.
Zwei der Mädchen seien amputiert worden, sagte der Sicherheitsvertreter in Banki weiter. Eines habe bei einem Angriff der Armee auf einen Posten der Boko Haram ein Bein verloren, bei dem anderen habe eine Hand wegen einer Infektion amputiert werden müssen.
Enoch Mark, dessen zwei Töchter unter den entführten Schülerinnen waren, zeigte sich nach der Nachricht von der Freilassung zuversichtlich: «Das sind gute Nachrichten. Wir haben auf diesen Tag gewartet. Wir hoffen, dass die übrigen Mädchen auch bald freikommen.»
Schweizer Hilfe
Nigerias Präsident dankte den internationalen Vermittlern für das Gelingen des Austauschs. Namentlich genannt wurden in einer Erklärung des Präsidialamts das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und die Regierung der Schweiz.
Das IKRK hatte die Mädchen von ihren Entführern in Empfang genommen: Am Freitagabend seien neun Fahrzeuge des IKRK in Banki angekommen, hiess es dort in Sicherheitskreisen. «Sie sind dann ohne Begleitung in den Wald gefahren und haben am Samstagnachmittag die Mädchen nach Banki gebracht.»
IKRK-Regional-Vizedirektor Patrick Yousef bestätigte, dass seine Organisation als «neutraler Vermittler» agiert habe.
Nach Angaben des nigerianischen Senators Sani ging es bei den drei- bis viermonatigen Verhandlungen zunächst um die Freilassung von 50 Mädchen, später sei die Zahl erhöht worden.
Noch über 100 Mädchen verschleppt
Nach der Freilassung befinden sich noch 113 der entführten Schülerinnen von Chibok in der Gewalt ihrer Entführer. Boko Haram hatte am 14. April 2014 eine Mädchenschule in der abgelegenen Stadt gestürmt und insgesamt 276 Schülerinnen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren verschleppt.
Die Entführung hatte international Schlagzeilen gemacht. Die Schülerinnen wurden zu einem Symbol für den Konflikt mit den Islamisten von Boko Haram. Zahlreiche Prominente setzten sich unter dem Slogan BringBackOurGirls für ihre Freilassung ein. Boko Haram kämpft seit Jahren für die Errichtung eines islamischen Gottesstaats im mehrheitlich muslimischen Nordosten Nigerias. (sda/afp/reu/dpa)