Der Langstreckenflugmarkt kommt in Bewegung. Auf die Sommerferien hin locken Billigairlines mit Überseeflügen zu Spottpreisen. Experten glauben aber nicht an eine Revolution à la Easyjet & Co.
Für 65 Dollar an die US-Ostküste, für 149 Dollar nach Los Angeles oder Oakland in Kalifornien, für 200 Euro nach Bangkok. Mit Angeboten wie diesen bewerben derzeit Billigflieger wie Norwegian Air Shuttle, Level oder Air Asia den europäischen Markt.
Kosten sinken
Dass der Trend zu billigen Langstreckenflügen gerade jetzt Fahrt aufnimmt, ist kein Zufall. Als Katalysator wirken neben den tiefen Treibstoffpreisen auch die moderneren Flugzeuge. Die Boeing 787 Dreamliner und 737 Max oder die Airbus A321 Neo sind in Betrieb und Wartung deutlich kostengünstiger als ältere Langstreckenmaschinen.
Für Aviatik-Experte Andreas Wittmer von der Universität St. Gallen sind die genannten Preise dennoch klassische Lockvogelangebote. «Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass Norwegian Air Shuttle in rund 80 Prozent der Fällen gleich teuer oder sogar teurer ist als Scandinavian Airlines oder Lufthansa», sagt er gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Das strikte Low-Cost-Konzept funktioniere auf der Langstrecke nur begrenzt .
Logistik als Knacknuss
Das sehen die Verantwortlichen beim Billig-Pionier Easyjet offenbar ähnlich. Derzeit gebe es keine Pläne für ein Langstreckenangebot, schreibt Schweiz-Chef Thomas Haagensen auf Anfrage. Das operative Modell einer Langstreckenfluggesellschaft unterscheide sich stark von jenem von Easyjet. Dieses basiere unter anderem auf kurzen Bodenzeiten ohne Crew-Aufenthalte.
Tatsächlich dürfte die Logistik für die neuen Billiganbieter zur Knacknuss werden, besonders bei Flügen, die länger als 9 Stunden dauern. In diesen Fällen sei der Hin- und Rückflug innerhalb von 24 Stunden nicht möglich, gibt Andreas Wittmer zu bedenken. Als Folge davon können die Airlines ihre Flugzeuge nicht so oft rotieren lassen, wie etwa Easyjet oder Ryanair auf der Kurz- und Mittelstrecke.
«Die Kosteneinsparungen auf der Langstrecke sind weniger gross als auf der Kurz- und Mittelstrecke», bestätigt Thomas Frischknecht. Der frühere Belair-Chef und heutige Unternehmensberater erwartet deshalb auf der Langstrecke keinen Billig-Boom, wie ihn einst Easyjet oder Ryanair auf den kürzeren Distanzen ausgelöst haben.
Andere Bedürfnisse
Kommt hinzu, dass auch die Passagiere auf der Langstrecke anders ticken. USA- und Asienreisende verweilen meist länger als ein paar Tage an ihrer Zieldestination und sind entsprechend auf mehr Gepäck angewiesen. Und früher oder später knurrt auf einem mehrstündigen Flug der Magen. Doch Essen und Gepäck aber auch Versicherungen kosten bei Billiganbietern extra.
Low Cost auf der Langstrecke sei etwas für Junge, für Passagiere, die auf jeden Rappen schauen müssten, sagt Patrick Huber, Chefredaktor des Luftfahrt-Magazins «Cockpit»: «Ich glaube nicht, dass vielgereiste oder ältere Passagiere während Stunden zusammengepfercht wie in einer Sardinenbüchse fliegen wollen, nur um ein paar Franken sparen zu können.» (sda)