Schweizweite Demonstrationen gegen Poststellenabbau

Schweizweite Demonstrationen gegen Poststellenabbau

06.05.2017, 17:36

Gewerkschaften und Linksparteien haben am Samstag in den Kantonen Tessin, Freiburg und Waadt gegen den drohenden Poststellenabbau demonstriert. Im Tessin könnte rund ein Viertel der Poststellen wegfallen. Die Post verteidigt die beschlossene Umstrukturierung.

Zu Kundgebungen aufgerufen wurde in jenen Regionen, die besonders von den angekündigten Poststellenschliessungen betroffen sind. Zwischen La Tour-de-Trême und Bulle im Kanton Freiburg versammelten sich rund 15 Demonstranten, zwischen Pidoux und Chexbres im Kanton Waadt etwa deren 70. Organisiert wurden die Kundgebungen in der Westschweiz von der Gewerkschaft syndicom sowie von Postangestellten, im Tessin vom Komitee «Vereint im Kampf für den Service Public».

Die rund 300 Teilnehmenden in Bellinzona zogen in einem Protestmarsch von der zentralen Postfiliale der Stadt bis zum Rathaus. Neben den Gewerkschaftsvertretern und Mitarbeitern der Post waren auch die Präsidenten zweier Südtessiner Gemeinden anwesend, welche sich bereits in der Vergangenheit gegen die Schliessung der Postfiliale in ihrem Einzugsgebiet wehrten. «Die Post gehört den Bürgern und nur sie sollten über ihre Zukunft entscheiden», rief der Tessiner Syndicom-Verantwortliche Marco Forte den Demonstranten zu.

Die Veranstalter hatten ausserdem Gianni Frizzo eingeladen, der im Frühjahr 2008 als Streikführer in den SBB-Werkstätten von Bellinzona nationale Bekanntheit erlangte.

32 Poststellen im Tessin gefährdet

Im Tessin formiert sich bereits seit Dezember letzten Jahres politischer Widerstand gegen den drohenden Wegfall von 32 der insgesamt 112 Postfilialen.

Der Tessiner Staatsrat forderte in einem Schreiben an die Post, sämtliche Schliessungspläne auf Eis zu legen. Die Kantonsregierung unterstrich damals, dass die Post auch ein identitätsstiftendes Merkmal für das Tessin habe. Sie stehe stellvertretend für das föderale System und die Zugehörigkeit zur Schweiz.

Das Tessiner Kantonsparlament ergriff seinerseits in Form einer Standesinitiative Partei gegen mögliche Poststellenschliessungen. Damit solle die Verhandlungsposition der einzelnen Gemeinden gestärkt werden, hiess es damals. Auch zahlreiche Tessiner Gemeinden wandten sich an die Kantonsregierung und die Direktion der Post.

Nationaler Gegenwind für die Post

Schweizweit haben sich zwei Drittel der Poststellen-Angestellten gegen die geplante Schliessung von Filialen in einer Petition gewehrt.

Auch in den Parlamenten von Gemeinden, Städten und Kantonen wurden diverse Vorstösse gemacht. Widerstand kommt aber auch von den Behörden selbst: Betroffene Gemeinden machen Druck auf die Kantonsregierungen; einzelne Kantone wiederum haben bereits versucht, Druck auf den Bund auszuüben, damit dieser die Post dazu bringt, ihre Pläne zu überdenken

Post verteidigt ihr Vorgehen

Die Post dagegen will bei ihrer Strategie 2020 von keinem Abbau, sondern von einer Neuausrichtung des Angebots sprechen. Auch wenn die Zahl der klassischen Postfilialen in den kommenden Jahren von 1300 auf 800 bis 900 reduziert werden solle, so könne doch gleichzeitig die Zahl der «Zugangspunkte» ausgebaut werden, sagte Oliver Flüeler, Mediensprecher der Post auf Anfrage. Sie sollen von heute 3700 auf 4000 bis 2020 steigen.

Darunter seien beispielsweise Agenturen zu verstehen, welche in Bäckereien oder Landwirtschaftsläden ihre Dienste anbieten sollen. Bereits heute könnten Postdienstleistungen in 850 Agenturen bezogen werden, so Flüeler. Derzeit führe die Post Gespräche mit allen 26 Kantonen, um ihnen eine Planungssicherheit zu ermöglichen - seien diese abgeschlossen, werde eine Liste mit Poststellen definiert, die bis 2020 keine Veränderung erfahren.

Defizit von bis zu 200 Millionen Franken jährlich

Die neue Strategie für die Postfilialen sei nötig, weil diese ein jährliches Defizit von «100 bis 200 Millionen Franken» aufwiesen. Flüeler räumte ein, dass vom Umbau 1200 Angestellte betroffen seien. Durch Umschulungen und Weiterbildungen versuche die Post den Mitarbeitern eine neue Stelle anzubieten, um so Entlassungen möglichst zu vermeiden. Dabei müssten sich alle Beteiligten flexibel zeigen. Er rief in Erinnerung, dass die Schweizerische Post derzeit über 60'000 Angestellte zähle. (sda)

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