Das Dorf La Brévine im Neuenburger Jura gilt als «Sibirien der Schweiz» und muss trotz Klimaerwärmung nicht um den Titel fürchten. Am Samstag wurde das Kältefest gefeiert, mit dem die Gemeinde seit 2012 den Tourismus ankurbeln will. Gefehlt hat einzig die Kälte.
Eigentlich sollte am Samstag in La Brévine die Kälte gefeiert werden. Unpassenderweise war es in dort am Mittag wegen des Südwindes bei 10.5 Grad aber frühlingshaft mild, wie Isabelle Fath von MeteoSchweiz auf Anfrage mitteilte.
Normalerweise ist es im Tal um die minus 20 bis minus 30 Grad kalt. Im Rekordjahr 1987 wurden gar minus 41.8 Grad gemessen. Zur Feier dieser Rekordkälte wurde das am Samstag zum dritten Mal durchgeführte Fest ins Leben gerufen.
Festivitäten sind ein Erfolg
Das Programm des Kältefests musste dieses Jahr wegen des milden Wetters angepasst werden: Die Fahrt mit Schlittenhunden wurde gestrichen. Stattdessen seien Kutschenfahrten angeboten worden, teilten die Veranstalter mit. Wer die Region entdecken wollte, musste dies zudem mit Wanderschuhen statt mit Schneeschuhen oder Langlaufski machen. Ausserdem musste die Fahrt mit einem Fesselballon wegen des starken Windes abgesagt werden.
Gemäss Programm durchgeführt werden konnten beispielsweise der Wettbewerb um das schönste Ski-Gewand aus vergangenen Zeiten und der Handwerkermarkt. Dieser sei bei den Besuchern sehr gut angekommen, teilten die Veranstalter mit. Der im 2012 lancierte Anlass lockte wie bereits im vergangenen Jahr rund 2000 Besucher an.
Die Gemeindebehörden wollen mit dem Event den für seine Kälte weitherum bekannten Ort touristisch fördern. Laut Jean-Maurice Gasser, Präsident der Trägervereinigung «Vallée de la Brévine - Sibérie de la Suisse», gelang das auch: «Wir ziehen eine sehr positive Bilanz, die Leute kommen im Winter, aber sie kehren auch im Sommer zurück.» La Brévine habe sich damit einen Platz im sanften Tourismus erobert.
Tal als Kaltluftsee
Die kältesten Temperaturen wurden dieses Jahr am 18. Januar mit minus 29.3 Grad gemessen. La Brévine muss nicht befürchten, durch die Klimaerwärmung seinen Titel als kältesten Ort der Schweiz zu verlieren.
Grund dafür sind die topografischen Bedingungen, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Universität Neuenburg und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigte.
Im zwischen 1030 und 1300 Meter über Meer gelegenen Tal entstehen immer wieder regelrechte Kaltluftseen - dieses Wetterphänomen konnte in der Studie mit 46 Messstationen nachgewiesen werden. Dabei ist es am Boden kälter als in der Höhe.
Zu dieser Umkehrung der Luft kommt es laut einem der Studienautoren, wenn die Wetterbedingungen stabil bleiben, ein hoher Luftdruck herrscht, keine Wolken den Himmel verdecken und kein starker Wind weht. Die kalte Luft, die schwerer ist als die warme, sammle sich dann im Tal an und könne nicht abfliessen.
Im vergangenen Winter wurden bis zu 28 Grad Temperaturunterschied zwischen dem Talboden und den umliegenden Jurahöhen gemessen. Weil das Phänomen damit nur vom lokalen Wetter abhängt, kann La Brévine dem Klimawandel gelassen entgegensehen.
Milde Temperaturen am Kältefest
Auch andernorts war es am Samstag frühlingshaft mild. Am Mittag wurden in Neuenburg drei, in Genf sechs und in Sitten elf Grad gemessen. Zu verdanken waren die milden Temperaturen im Wallis und im Graubünden laut Isabelle Fath dem Föhn.
In St. Moritz wäre am Sonntag der erste Renntag des Pferderennwettkampfs White Turf über die Bühne gegangen. Dieser musste laut den Organisatoren aus Sicherheitsgründen wegen der milden Temperaturen abgesagt werden. (sda)