Die Reaktionen auf den Brexit sind gemischt. «Es sieht nach einem traurigen Tag für Europa und für Grossbritannien aus», sagte etwa der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin.
Er zeigte sich enttäuscht über den Ausgang des Brexit-Referendums. «Die Nachrichten aus Grossbritannien sind wahrlich ernüchternd», sagte er.
Österreichs Aussenminister Sebastian Kurz sieht nach dem Brexit grossen Veränderungsbedarf bei der EU. Wenn eines der grössten EU-Mitgliedsländer aus der EU austrete, könne «kein Stein auf dem anderen bleiben», sagte Kurz im Ö1-Morgenjournal des ORF.
Es sei nötig, dass sich die EU schnell neu aufstelle, wenn sich ein solches Referendum nicht in einem anderen EU-Land wiederholen solle. Tempo und Ausmass dieser Veränderung müssten «enorm» sein. Die EU muss laut Kurz zentrale Probleme wie etwa das Thema Migration lösen. «Ein Dominoeffekt auf andere Länder ist nicht auszuschliessen», sagte Kurz.
Franxit und Nexit?
Dafür sprechen Forderungen von rechtspopulistischen Politikerinnen und Politiker in den Niederlanden und Frankreich. Die Chefin von Frankreichs rechtsextremer Front National, Marine Le Pen, hat weitere Abstimmungen in den EU-Mitgliedsstaaten gefordert. «Wie ich es seit Jahren fordere, brauchen wir jetzt dasselbe Referendum in Frankreich und in den Ländern der EU.» Zuvor hatte bereits ihre Nichte Marion Le Pen, Abgeordnete der Nationalversammlung, von einem «Franxit» gesprochen.
Der Chef der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit, Geert Wilders, hat nach der britischen Volksabstimmung ein EU-Referendum auch in seinem Land gefordert. «Bye bye Brüssel», schrieb er auf Twitter. «Und die Niederlande werden die Nächsten sein!» Seine Partei fordere «ein Referendum über den Nexit, einen niederländischen Austritt aus der EU.»
Doch von einem Dominoeffekt geht EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nicht aus. Er fürchtet nach dem Brexit keine weiteren Austritte aus der Europäischen Union. «Die Kettenreaktion wird es nicht geben», sagte Schulz im «Morgenmagazin» des ZDF. Zur Begründung verwies er unter anderem auf die negativen Reaktionen von Wirtschaft und Börse auf die Entscheidung der Briten für einen Austritt aus der EU.
«Ich glaube nicht, dass andere Länder dadurch ermutigt werden, diesen gefährlichen Weg zu gehen», sagte Schulz. Darüber habe er am frühen Morgen auch mit dem französischen Präsidenten François Hollande gesprochen, und er werde auch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel darüber reden, wie eine solche Kettenreaktion vermieden werden könne.
Zusammenhalt trotz Brexit
Europa muss nach dem «Brexit»-Votum der Briten für einen EU-Austritt nach Überzeugung vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble zusammenhalten. «Wir respektieren den Ausgang des britischen Referendums. Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht», sagte Schäuble in Berlin.
«Europa wird jetzt zusammenstehen. Gemeinsam müssen wir das Beste aus der Entscheidung unserer britischen Freunde machen», sagte Schäuble. Nach den Worten Schäubles muss jetzt nach vorne geschaut und mit dieser Situation umgegangen werden. Dazu sei er auch in engem Kontakt mit seinen Amtskollegen der G7-Gruppe führender Industrienationen, sagte der Finanzminister weiter.
Das EU-Verfahren für einen Austritt aus der Europäischen Union sei eindeutig geregelt und werde angewendet werden. «Das schafft Verlässlichkeit.»
Zu Wort meldete sich auch der Ehemann der getöteten Brexit-Gegnerin Jo Cox. Er glaubt, dass sich seine Frau auch nach dem Votum gegen die EU-Mitgliedschaft für den Zusammenhalt in Grossbritannien eingesetzt hätte.
«Jo wäre heute optimistisch geblieben und fokussiert darauf, was sie tun könnte, um unser Land wieder um unsere besten Werte herum zusammenzubringen», schrieb Brendan Cox am Morgen auf Twitter. Ein Attentäter hatte die pro-europäische Abgeordnete in der vergangenen Woche auf offener Strasse tödlich verletzt. (sda)