Wegen systematischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit im afrikanischen Kleinstaat Burundi haben Ermittler der Vereinten Nationen die internationale Strafjustiz zum Eingreifen aufgefordert. Sie fordern ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof.
In einem am Montag in Genf vorgelegten Bericht dokumentierte das Ermittlungskomitee zahlreiche Fälle von Folter, aussergerichtlichen Hinrichtungen, sexueller Gewalt und des Verschwindenlassens von Regierungsgegnern. Verantwortlich dafür sei «die höchste Ebene des Staates». Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) müsse so bald wie möglich ein Verfahren eröffnen.
Die gegenwärtige Krise in Burundi hatte im Frühjahr 2015 begonnen, als Präsident Pierre Nkurunziza seine Kandidatur für eine dritte Amtszeit bekannt gab. Nach Ansicht der Opposition verstiess er damit gegen die Verfassung. Nkurunziza reagierte mit massiver Repression auf die Kritik. Nach UNO-Schätzungen sind inzwischen 400'000 Menschen vor der Gewalt in Burundi geflohen.
«Klima der Angst»
In Burundi herrsche ein «Klima der Angst», schrieben die UNO-Ermittler in ihrem Bericht. Es gebe «ausreichenden Grund für die Annahme, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden und werden».
Der Vorsitzende der Ermittlungskommission, Fatsah Ouguergouz, zeigte sich schockiert über die Befunde: «Wir sind erschüttert angesichts des Ausmasses und der Brutalität dieser Rechtsverstösse.»
Die Ermittler machten Präsident Nkurunziza selbst und sein Umfeld verantwortlich für Entscheidungen, «die zu schweren Menschenrechtsverletzungen führten». Mutmassliche Drahtzieher und Täter sässen im Geheimdienst, bei der Polizei, im Militär und in der Regierungspartei.
Rasch handeln
Eine Verfolgung der Verantwortlichen in Burundi sei nicht zu erwarten, weswegen sich der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag des Falls annehmen müsse. Der ICC hat bereits Vorermittlungen aufgenommen, die UNO-Ermittler fordern nun aber die formelle Eröffnung eines Verfahrens.
Das Gericht müsste dabei rasch handeln: Im vergangenen Jahr kündigte Burundi seinen Austritt aus dem Strafgerichtshof an, er soll am 27. Oktober wirksam werden. Danach könnte der Strafgerichtshof Ermittlungen gegen Burundi nur noch dann aufnehmen, wenn er damit vom UNO-Sicherheitsrat beauftragt wird. Die Ermittler fordern deshalb von Burundi, ihren Austritts-Entscheid rückgängig zu machen.
Das Ermittlungskomitee zu Burundi war vergangenes Jahr vom UNO-Menschenrechtsrat eingesetzt worden. Diesem wird der Bericht in zwei Wochen vorgelegt. Darin fordert das Komitee eine Verlängerung seines Einsatzes um ein Jahr.
Blutige Gewalt
Seit der Unabhängigkeit von Belgien im Jahr 1962 hat Burundi immer wieder lange Phasen blutiger Gewalt erlebt. Die Bevölkerungsstruktur ähnelt jener im benachbarten Ruanda - eine Tutsi-Minderheit steht einer lange Zeit benachteiligten Hutu-Mehrheit gegenüber. Zuletzt standen sich die beiden Gruppen zwischen 1993 und 2006 in einem Bürgerkrieg gegenüber, in dem 300'000 Menschen getötet wurden.
Die UNO-Ermittler warfen burundischen Regierungsvertretern in ihrem Bericht vor, Vorbehalte zwischen den Gruppen aus politischen Gründen zu schüren. Dies laufe zwar nicht auf «direkte Anstachelung zum Völkermord» hinaus, trage aber «zu einem Klima gefährlichen Hasses» bei, der die alten ethnischen Spannungen wieder aufleben lassen könnte.
Der Bericht der UNO-Ermittler enthält eine Liste mit Verdächtigen, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Unruhen bei den Wahlen 2015 begangen haben sollen. Die Untersuchungskommission übergab die Liste dem UNO-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein, der sie an die zuständigen UNO-Stellen weiterleiten kann.
Die UNO-Ermittler fordern von den Nachbarländern Burundis, Druck auf die dortige Regierung auszuüben, damit wieder ein Dialog aufgenommen werden könne. Die Ermittler hatten keinen Zugang zu Burundi, führten aber mehr als 500 Interviews in den Nachbarländern. Die burundische Regierung hat angekündigt, die Ergebnisse des Berichtes zu evaluieren. (sda/afp)