Italien steht vor einem umstrittenen Militäreinsatz vor Libyens Küste zur Bekämpfung des Menschenschmuggels. Kurz nachdem das Parlament in Rom dem Einsatz zustimmte, teilte das Verteidigungsministerium mit, ein italienisches Schiff sei auf dem Weg nach Tripolis.
Mit der Erlaubnis libyscher Behörden sei es in die Hoheitsgewässer des Bürgerkriegslandes gefahren, hiess es am Mittwoch. In der Hauptstadt wolle man die letzten Modalitäten des Einsatzes abstimmen, den das Kabinett in Rom auf Anfrage der Regierung von Fajis al-Sarradsch auf den Weg gebracht hatte.
Italien erhofft sich von der Operation eine Stabilisierung Libyens und eine bessere Kontrolle der Flüchtlingsströme. Ministerpräsident Paolo Gentiloni hatte die Mission als möglichen Wendepunkt in der Flüchtlingskrise bezeichnet.
Bislang durften keine europäischen Schiffe innerhalb libyscher Hoheitsgewässer gegen Schlepper vorgehen. In welchem Ausmass die Marine innerhalb der 12-Meilen-Zone operieren wird, ist noch unklar.
Italien wolle Schiffe zur technischen und logistischen Unterstützung der libyschen Küstenwache schicken und dabei für die «Einheit und Stabilität» des Landes arbeiten, hatte Aussenminister Angelino Alfano am Dienstag versichert. Der Einsatz soll in enger Absprache mit den libyschen Behörden stattfinden.
Machtlose Regierung
Die italienische Regierung betonte am Dienstag, die Operation werde die Souveränität Libyens nicht verletzen, sondern stärken. Werde ein italienisches Schiff von Schlepperbanden angegriffen, werde man sich verteidigen, sagte Verteidigungsministerin Roberta Pinotti.
Unumstritten ist das Vorhaben Italiens nicht. In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi Chaos. Drei Regierungen kämpfen um die Macht.
Die UNO unterstützt Al-Sarradschs Regierung, mit dem die Italiener den bilateralen Einsatz ausgehandelt haben. Doch die Regierung kontrolliert kaum Gebiete über die Hauptstadt Tripolis hinaus. Schlepper nutzen das Chaos in Libyen und setzen die Menschen gegen viel Geld auf klapprige Boote.
Mit italienischer Technologie sollen Berichten zufolge auch Boote mit Flüchtlingen ausfindig gemacht werden, die dann von der libyschen Küstenwache zurück ans Festland gebracht werden.
Kritik von Menschenrechtsorganisationen
Kritiker befürchten, dass libysche Behörden den Flüchtlingen keine menschenwürdige Unterbringung und Asylverfahren gewährleisten können. Amnesty International hatte das italienische Vorhaben scharf kritisiert, weil es darauf ausgelegt sei, dass Kriegsschiffe Flüchtlinge zurückdrängten, statt diese zu retten und zu schützen.
Die EU hat im Gegensatz zu Italien weiterhin keine Erlaubnis, in den Küstengewässern Libyens gegen illegale Migration vorgehen zu können. Bei Gesprächen am Dienstag in Tripolis sei eine Ausweitung des EU-Marineeinsatzes kein Thema gewesen, sagte eine Sprecherin am Mittwoch.
Schiffe europäischer Streitkräfte sind im Rahmen der Operation Sophia bereits seit 2015 im zentralen Mittelmeer im Einsatz, um den Menschenschmuggel aus Libyen zu bekämpfen. Weil sie bislang nicht in den Küstengewässern des vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes operieren dürfen, konnten dabei allerdings kaum Erfolge erzielt werden.
Italien sieht sich in der Flüchtlingskrise einer besonderen Belastung ausgesetzt - in diesem Jahr kamen schon mehr als 95'000 aus dem Mittelmeer Gerettete an Häfen des Landes an. (sda/dpa)