In der Türkei haben Teile des Militärs in der Nacht zum Samstag einen Putschversuch unternommen. Dabei kamen mindestens 90 Menschen ums Leben. Über 1500 Militärangehörige wurden festgenommen. Die Regierung erklärte den Putsch nach wenigen Stunden für gescheitert.
Inzwischen sei das Hauptquartier des Militärs wieder unter der Kontrolle von Regierungstruppen, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter am Samstag. Sicherheitskräfte befreiten zudem den von Putschisten festgehaltenen Armeechef Hulusi Akar.
Der Verbleib Akars war nach dem Beginn des Putschversuches zunächst unklar gewesen. Ministerpräsident Binali Yildirim hatte in der Nacht General Ümit Dündar kommissarisch zum neuen Militärchef ernannt.
90 Tote, über 1500 Festnahmen
Teile des türkischen Militärs hatten in der Nacht zum Samstag versucht, die Macht an sich zu reissen. Sie riefen das Kriegsrecht aus und verhängten eine Ausgangssperre. Soldaten bezogen an strategisch wichtigen Punkten in Istanbul und Ankara Stellung, in beiden Städten waren Kampfflugzeuge und Helikopter am Himmel zu sehen.
Präsident Recep Tayyip Erdogan rief seine Anhänger auf, zu Gegendemonstrationen auf die Strasse zu gehen. Es gab Zusammenstösse und Gefechte. Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge kamen beim Putschversuch mindestens 90 Menschen ums Leben. Mehr als 1150 Menschen wurden verletzt.
Ein Regierungsvertreter sagte, fünf Generäle seien ihres Amtes enthoben worden. Über 1500 Militärangehörige seien landesweit festgenommen worden. Ministerpräsident Yildirim rief das Parlament für Samstag zu einer Sondersitzung zusammen.
Bei Luftangriffen der Putschisten auf das Parlament in Ankara wurde das Gebäude der türkischen Nationalversammlung stark beschädigt. Auf Fernsehbildern waren am Samstagmorgen Trümmer, zerborstene Scheiben und gravierende Schäden am Mauerwerk zu sehen.
Gülen bestreitet Beteiligung
Erdogan bezeichnete den Putschversuch als Hochverrat und kündigte harte Strafen an. Er beschuldigte seinen in den USA lebenden Erzfeind Fethullah Gülen, hinter dem Aufstand zu stehen.
Gülens Bewegung bestritt umgehend jede Beteiligung. Er habe in den vergangenen Jahrzehnten selbst mehrere Militärputsche in seinem Heimatland miterleben müssen, daher sei die Behauptung, er sei in den Staatsstreich verwickelt, «besonders beleidigend», erklärte der in den USA lebende Geistliche in der Nacht zum Samstag.
Gülen hatte sich 2013 mit Erdogan überworfen, als die Justiz umfassende Korruptionsermittlungen zu Politikern und Geschäftsleuten aus dem Umfeld des damaligen Regierungschefs eingeleitet hatte.
EDA passt Reisehinweise an
Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) passte nach dem Putschversuch seine Reisehinweise für die Türkei an. Wegen der unübersichtlichen Lage empfiehlt das Aussendepartement, sich in den Medien zu informieren und sich an die Anweisungen der Behörden zu halten.
Etwa sollten Ausgangssperren befolgt werden, hiess es in der Mitteilung des EDA vom Samstagmorgen. Ausserdem sollten Ferienreisende Kontakt halten mit ihren Reiseveranstaltern. Das EDA ist in Kontakt mit der Schweizer Botschaft in Ankara und dem Generalkonsulat in Istanbul und beobachtet die Lage.
Das Aussendepartement hat eine telefonische Auskunftsstelle für Touristinnen, Touristen und Angehörige eingerichtet, die keinen Kontakt zu Türkei-Reisenden haben. Die Helpline ist über die Rufnummern 0041 800 247 365 und 0041 58 465 33 33 erreichbar. Bis zum frühen Morgen gingen rund 160 Anfragen ein.
Für Informationen zu Flügen verwies das EDA auf die Fluggesellschaften. Die Fluggesellschaft Swiss hat für Samstag alle Flüge nach Istanbul gestrichen. Flüge von Swiss und Edelweiss Air Flüge zu den Feriendestinationen Bodrum, Antalya und Izmir sollen bis auf weiteres planmässig stattfinden. (sda/dpa/afp/reu)