Orientalische Erzählkunst in deutscher Sprache ist das Markenzeichen von Rafik Schami. Aus seiner Sehnsucht nach Damaskus erschafft er Figuren, die seine alte Heimat erkunden. Er selbst bleibt in Deutschland - auch an seinem 70. Geburtstag.
Die längste Zeit seines Lebens verbrachte Schami, der eigentlich Suheil Fadél heisst, im Exil. Als junger Mann musste er aus seiner Heimatstadt Damaskus fliehen. Heute füllen Erinnerungsstücke von dort - Fotos, Kochrezepte und Stadtpläne sowie Bücher über Hochzeitssitten und Putsche - einen Grossteil seiner Bibliothek in seinem Haus in der Pfalz. Die Verbundenheit zeigt sich auch in seinem Pseudonym, das «Freund aus Damaskus» bedeutet.
Es war der Zufall, der Schami 1971 über Beirut nach Heidelberg verschlagen hat. «Ich wollte nach Amerika, doch die Amerikaner haben zu lange gebraucht. Das Visum kam, als ich schon hier war», sagt er. Auch das Visum für Spanien sei später eingetroffen. «Jetzt noch einmal von Null anfangen?», habe er sich gefragt - und mit Nein geantwortet. So studierte er in Heidelberg Chemie.
Die Kommilitonen im Studentenheim waren seine ersten Zuhörer. Dabei erzählt er moderne Inhalte auf orientalische Weise. «Ich bin als Kind mit 1001 Nacht aufgewachsen. Abend für Abend habe ich mit meiner Mutter vor dem Radio gesessen und diese Geschichten gehört. Zwei Jahre, acht Monate und 27 Tage lang. Das hat mich geprägt, diese Spannung, die wie ein Teppich gewebt wird, diese Suche nach einer Fortsetzung», sagt er.
Bald schrieb Schami kleine Märchen, Fabeln und Fantasiegeschichten auf Deutsch, und als er sich in der Sprache sicherer fühlt, auch Romane, Kinderbücher und Theaterstücke. Zu seinen grössten Erfolgen gehören der frühe Roman «Erzähler der Nacht» (1989) und das 900-Seiten-Opus «Die dunkle Seite der Liebe» (2004). In 29 Sprachen sind seine Bücher übersetzt. Er wird zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart.
Nach seiner Flucht kehrt Schami nie wieder nach Syrien zurück. 2009 hatte er eine Einladung aus Damaskus, lehnte aber ab. «Das Angebot war erpresserisch», sagt er. Er hätte nicht privat zurückkehren dürfen, sondern nur als Gast des Staatspräsidenten Baschar al-Assad, und wäre wohl im Fernsehen vorgeführt worden. (sda/dpa)