Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat eine mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe infolge des Putschversuches mit dem Volkswillen begründet. Er müsse das Volk anhören, und dieses wolle die Todesstrafe, sagte er in einem Interview.
«Wenn wir uns in einem demokratischen Rechtsstaat befinden, hat das Volk das Sagen. Und das Volk, was sagt es heute? Sie wollen, dass die Todesstrafe wieder eingeführt wird», sagte er in einem am Montagabend ausgestrahlten ARD-Interview.
Zu möglichen negativen Folgen für die Türkei in ihrem Verhältnis zur EU sagte Erdogan: «Nur in Europa gibt es keine Todesstrafe. Ansonsten gibt es sie fast überall.» EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte Erdogan am Montag erneut gewarnt, die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union würden sofort gestoppt, falls die Türkei die Todesstrafe wieder einführe.
Einige Millionen statt Milliarden
Der EU warf Erdogan überdies Wortbruch beim Flüchtlingspakt vorgeworfen. Sie habe ihre finanziellen Versprechen zur Unterstützung der rund drei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei bisher nicht gehalten. «Drei Milliarden waren zugesagt», sagte Erdogan. Doch seien bisher nur symbolische Summen eingetroffen. Erdogan sprach von ein bis zwei Millionen.
«Wir stehen zu unserem Versprechen. Aber haben die Europäer ihr Versprechen gehalten?», fragte Erdogan. «Die europäischen Regierenden sind nicht aufrichtig.» Erneut forderte er auch die Umsetzung der Visa-Freiheit für Türken.
Das im März geschlossene Abkommen sieht vor, dass die Türkei alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurücknimmt, deren Asylantrag in Griechenland abgelehnt worden ist.
Im Gegenzug sagte die EU zu, für jeden zurückgenommenen Syrer auf legalem Weg einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei aufzunehmen. Zudem versprach die EU Hilfszahlungen von drei Milliarden Euro zur Versorgung syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu.
Bei Menschenrechtlern stiess der Flüchtlingspakt auf scharfe Kritik. Seit dem gescheiterten Militärputsch brandete die Debatte neu auf, ob das Abkommen weitergeführt werden könne. (sda/dpa/afp)