ETH-Forschende auf den Spuren des Eisschwunds in der Arktis

ETH-Forschende auf den Spuren des Eisschwunds in der Arktis

15.01.2018, 17:08

Das verstärkte Abschmelzen des arktischen Meereises im Sommer hat mit wiederkehrenden Schönwetterperioden zu tun. Für den starken Eisschwund im Winter 2015/16 war hingegen eine Art Autobahn für warme Luftmassen verantwortlich, wie ETH-Forschende zeigen konnten.

Seit Ende der 1970er Jahre schrumpft die Eisdecke im arktischen Meer im Sommer kontinuierlich. Übermässig abgeschmolzen ist das Meereis in den Jahren 2007 und 2012, was die Klimaforschung bislang nicht vollständig erklären konnte.

In einer Studie gingen Heini Wernli, Professor für Atmosphärendynamik an der ETH Zürich, und Lukas Papritz von der Universität Bergen den Ursachen dieser Ausreisser auf den Grund. Sie fanden heraus, dass stabile Hochdruckgebiete, die sich im Sommer der beiden Jahre wiederholt aufgebaut hatten, für die starke Schmelze verantwortlich waren. Über ihre Ergebnisse berichteten die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «Nature Geoscience».

Während der wolkenlosen Wetterlagen verstärkte die hohe Sonneneinstrahlung das Abschmelzen des Meereises. Die Sonne scheint in dieser Zeit 24 Stunden am Tag.

Gebildet wurden die Hochdruckgebiete durch den Zustrom von Luft aus den gemässigten Breiten. Tiefdruckgebiete zum Beispiel über dem Nordatlantik und dem Nordpazifik schleuderten diese Luftmassen in rund acht Kilometern Höhe in die Arktis. Dadurch hob sich die Tropopause, die Grenzschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre, lokal an.

Darunter stieg in der folge der Luftdruck und ein Hochdruckgebiet konnte sich etablieren. Nach rund zehn Tagen hatte es sich bereits wieder abgebaut. Allerdings schmolz in dieser Zeit ungewöhnlich viel Meereis ab und das verbleibende wurde dünner.

Wärme im Winter

Doch auch im Winter ist die Eisschicht nicht vor einer Schmelze gefeit. Im Winter 2015/16 stiegen die Temperaturen in Teilen der Arktis während mehrerer Tage über Null Grad Celsius, nördlich von Spitzbergen wurden bis zu acht Grad gemessen. Im Winterhalbjahr waren dort seit dem Beginn systematischer Messungen Ende der 1970er Jahre noch nie derart hohe Temperaturen registriert worden.

Wernli und seine damalige Doktorandin Hanin Binder wollten wissen, warum das Meereis mitten im Winter zu schmelzen begann. Im Fachblatt «Geophysical Research Letters» berichteten sie jüngst, dass drei verschiedene Luftströmungen für die aussergewöhnliche Wärme verantwortlich waren.

Autobahn für warme Luft

Die Luftströme, die über der Nordsee zwischen Schottland und Südnorwegen zusammentrafen, führten wie auf einer Autobahn warme Luft mit hoher Geschwindigkeit nach Norden. Ein Strom kam aus der Sahara und führte bodennahe Warmluft mit sich. Zuerst war die Luft rund 20 Grad warm, kühlte sich aber auf dem Weg in die Arktis auf etwas über Null Grad ab.

Der zweite Strom stammte aus der Arktis selbst. Diese Luft war zu Beginn sehr kalt. Die ebenfalls bodennahen Luftmassen bewegten sich aber in einem weiten Bogen nach Süden und wurden über dem Atlantik durch Wärmezufuhr aus dem Ozean aufgewärmt, bevor sie sich mit dem subtropischen Luftstrom vereinten.

Die dritte Komponente des Warmluftstroms waren kalte Luftmassen aus der oberen Troposphäre, also von über fünf Kilometern Höhe. Diese führten von Westen nach Osten und sanken in einem stationären Hochdruckgebiet über Skandinavien ab. Dabei erwärmte sich die zu Beginn sehr kalte Luft durch Kompression.

Möglich wurde diese Autobahn der Luftströme durch eine spezielle Konstellation der Drucksysteme über Nordeuropa. Während sich über Island zu jener Zeit starke Tiefdruckgebiete bildeten, entstand über Skandinavien ein extrem stabiles Hochdruckgebiet. Dadurch bildete sich über der Nordsee eine Art Trichter, durch welchen die verschiedenen Strömungen kanalisiert und über das offene Meer in die Arktis geführt wurden.

30 Zentimeter dünner

Der Zustrom dauerte etwa eine Woche, danach versank die Arktis wieder in Winterstarre. Dennoch hatte dieses Ereignis gereicht, um die Dicke des Meereises in Teilen der Arktis um 30 Zentimeter zu verringern - dies in einer Zeit, in der das Eis normalerweise wächst und dicker wird.

«Unsere Resultate unterstreichen die grundlegende Rolle, welche das Wettergeschehen in den gemässigten Breiten für Episoden besonders starker Meereisschmelze in der Arktis spielt», wird Wernli in einer Mitteilung der ETH vom Montag zitiert. (sda)

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