Kein Ausweg aus Asylstreit erkennbar - SPD fordert Koalitionsgipfel
Trotz intensiver Suche nach einem Ausweg aus dem Asylstreit ist ein Kompromiss zwischen CDU und CSU nicht in Sicht. Kurz vor einem neuen Spitzentreffen sahen beide Seiten zwar weiter Spielraum für eine Lösung - wie diese aussehen könnte, ist aber nicht erkennbar.
«Wir wünschen uns eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen», hiess es nach einer CDU-Vorstandssitzung am Montag in Berlin. «In der Migrationspolitik verfolgen wir dieselben Ziele. Wir wollen die Zuwanderung nach Deutschland ordnen, steuern und begrenzen.»
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte die Kompromissbereitschaft seiner Partei. «Wir sind zu Kompromissen bereit, das muss man ja auch sein in der Politik», sagte er am Rande eines Termins in Passau.
Er warnte zudem vor einem Bruch der Unionsfraktion. «Die Stabilität der Regierung steht für uns nicht infrage, auch ein Aufkündigen einer Fraktionsgemeinschaft ist nicht der richtige Weg. Man kann in einer Regierung viel erreichen, aber nicht ausserhalb», sagte er weiter. Ein Austritt aus der deutschen Regierung würde die CSU schwächen.
SPD fordert Gipfeltreffen
Der Streit zwischen CSU und CDU war in der Nacht durch eine später relativierte Rücktrittsankündigung von Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer weiter eskaliert.
Am Montagnachmittag kommen nun die Spitzen beider Parteien erneut zu Beratungen zusammen. Auch eine gemeinsame Fraktionssitzung soll es entgegen ersten Berichten geben.
Angesichts der Zuspitzung des Streits zwischen CDU und CSU fordert die SPD, die mit der CDU/CSU eine Koalitionsregierung bildet, noch am Montag einen Koalitionsgipfel bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU). «Die Zukunft der Regierung wird da besprochen», sagte SPD-Chefin Andrea Nahles nach einer Sitzung des Vorstands in Berlin.
Es gebe keinen Automatismus, dass die SPD einen Kompromiss im Asylstreit zwischen CDU und CSU mittrage, so Nahles weiter. «Die Union führt ein rücksichtsloses Drama auf». Gerade die CSU sei auf einem beispiellosen Ego-Trip. «So geht es nicht weiter.» Noch stehe die SPD aber zu der grossen Koalition.
Auslöser des Streits zwischen den beiden Schwesterparteien waren Seehofers Ankündigung, im Alleingang Asylbewerber an der deutschen Grenze zurückzuweisen, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Merkel lehnt jedoch einseitige Aktionen Deutschlands ab und pocht auf ein europäisch abgestimmtes Vorgehen. Am vergangenen EU-Gipfel hatte die unter Druck geratene Kanzlerin eine Verschärfung der EU-Asylpolitik erreicht.
CDU steht hinter Merkel
Seehofer lehnt die EU-Beschlüsse jedoch als nicht ausreichend ab. Bei internen Beratungen der CSU hatte er daher am Sonntag zunächst seinen Rücktritt als Innenminister und Parteivorsitzender angekündigt, nach Beratungen der engsten CSU-Führung aber später erklärt, seine Entscheidung von einem Einlenken der CDU abhängig zu machen. Klarheit über das politische Schicksal Seehofers gab es danach nicht.
Die CDU hatte am späten Sonntagabend in einem bei einer Enthaltung angenommenen Beschluss die Unterstützung für den Kurs Merkels betont. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte bei der Vorstellung des Beschlusses gesagt: «Einseitige Zurückweisungen wären unserer Ansicht nach das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner.»
In dem CDU-Beschluss heisst es weiter, die von Merkel auf dem EU-Gipfel in Brüssel sowie in bilateralen Verhandlungen getroffenen Beschlüsse, Vereinbarungen und Abkommen böten eine gute Grundlage zur wirksamen Reduktion der Sekundärmigration. Mit «Sekundärmigration» ist die Weiterreise von bereits registrierten Asylbewerbern in andere EU-Staaten gemeint.
Seehofer-Kompromiss abgelehnt
An der Sitzung der gemeinsamen Unionsfraktion am Nachmittag dürfte Merkel die Abgeordneten über den letzten Stand im Streit mit Seehofer informieren. Beide Seiten haben wiederholt betont, dass sie an der seit fast 70 Jahren bestehenden Fraktionsgemeinschaft festhalten wollen.
Mit Spannung wird erwartet, ob auch Seehofer zu den Bundestagsabgeordneten kommt - und ob eine Abstimmung über den Migrationskurs Merkels beantragt wird.
Nach Angaben aus CSU-Kreisen hatte Seehofer am Samstag ein Kompromissangebot gemacht, das Merkel aber abgelehnt hatte. Demnach schlug er unter anderem vor, nicht alle Migranten zurückzuweisen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, sondern nur solche, bei denen das Asylverfahren bereits läuft. (sda/dpa/afp)
