Der Brexit hat der Schweizer Börse schwere Verluste eingebrockt. Der Standardwerte-Index SMI verlor rund fünf Prozent auf 7626 Punkte. Dies ist der stärkste Einbruch seit Januar 2015, als die Schweizerische Nationalbank die Anbindung an den Euro aufhob.
Händler sprachen am Freitag von Panik-Verkäufen. Der als Angst-Barometer geltende Volatilitätsindex schoss um fast ein Drittel in die Höhe.
Die grössten Verluste verbuchten die Aktien der Grossbanken. UBS verloren elf Prozent, Credit Suisse sogar 13 Prozent. Die Zürcher Kantonalbank verwies auf steigende Risikoprämien und konjunkturelle Unsicherheiten, die den Bankentiteln zusetzen.
Deutlich tiefer bewertet wurden auch konjunkturempfindliche Werte. Ökonomen rechnen damit, dass die Trennung der zweitgrössten europäischen Volkswirtschaft von der EU Bremsspuren bei der Wirtschaft hinterlassen könnte.
Hohe Verluste
Die Aktien des Zementkonzerns LafargeHolcim brachen neun Prozent ein, Adecco über zehn Prozent. Adecco und Lafarge gehören zu den Schweizer Grossunternehmen mit dem höchsten Geschäftsanteil auf den britischen Inseln.
Ebenfalls in diese Gruppe gehören die Versicherer Zurich und Swiss Re. Die Aktien der beiden Unternehmen verloren jeweils rund fünf Prozent. Swiss Life sanken sechs Prozent. Der Lebensversicherer erwartet in Zusammenhang mit den Folgen des Brexit Druck auf das Anlageergebnis.
Am besten unter den Schweizer Standardwerten hielten sich Nestlé. Die Aktien des Nahrungsmittelkonzerns schwächten sich um 1.9 Prozent ab. Händler sprachen von Umschichtungen in Titel, die weniger stark von konjunkturellen Entwicklungen abhängig sind.
Auch weltweit brachen die Börsen ein. Nach Schätzung von DZ Bank-Analysten Christian Kahler haben sich durch den aktuellen Crash weltweit fünf Billionen Dollar an Börsenkapitalisierung in Luft aufgelöst. Das entspricht in etwa dem Doppelten der jährlichen Wirtschaftsleistung Grossbritanniens.
Für viele Börsianer war der Schock um so grösser, weil sie in den vergangenen Tagen auf einen Verbleib Grossbritanniens in der Staatengemeinschaft gewettet hatten. Der britischen Wahlbehörde zufolge lagen die Brexit-Befürworter mit knapp 52 Prozent in Führung.
Entsetzen an den Devisenmärkten
Auch an den Devisenmärkten herrschte blankes Entsetzen: Pfund Sterling und Euro stürzten so stark ab wie noch selten. Investoren griffen stattdessen zu vermeintlich sicheren Anlagen wie Gold, Schweizer Franken und Bundesanleihen.
Der Kurs des Pfund Sterling stürzte am Morgen um bis zu 11.1 Prozent ab und lag mit 1.3232 Dollar so niedrig wie zuletzt im September 1985. Der Euro fiel um bis zu 4.1 Prozent auf ein Dreieinhalb-Monats-Tief von 1.0914 Dollar.
Unter Verkaufsdruck geriet auch Rohöl. Die richtungsweisende Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 3.7 Prozent auf 49.01 Dollar je Barrel (159 Liter). Das wichtige Industriemetall Kupfer kostete mit 4692 Dollar je Tonne 1.8 Prozent weniger als am Donnerstag.
Phase der Unsicherheit
«Jetzt kommt eine grosse Phase der absoluten Unsicherheit», sagte Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank. «Der Aufschwung in Grossbritannien dürfte weitgehend zu Ende sein. Auch die Euro-Zone wird die Folgen spüren.» Nach Einschätzung seines Kollegen Jörg Krämer von der Commerzbank ist eine Rezession in der Euro-Zone aber nicht zu befürchten. «Das gilt auch für Grossbritannien und erst recht für den Fall, dass sich eine saubere Scheidung abzeichnet.»
Experten rechnen damit, dass in den kommenden Monaten massiv Kapital von der Insel abfliessen und dies zu einem Wirtschaftseinbruch führen wird. Grossbritannien ist wegen seines hohen Leistungsbilanz-Defizits auf ausländisches Geld angewiesen. (sda)