Gauck fordert «republikanische Verteidigungsbereitschaft»

Gauck fordert «republikanische Verteidigungsbereitschaft»

18.01.2017, 12:08

Der scheidende deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat die Deutschen aufgefordert, ihre Freiheit und Demokratie energischer zu verteidigen. Das Land brauche eine «republikanische Verteidigungsbereitschaft» und eine «wehrhafte Demokratie».

Es gebe angesichts vieler Unsicherheiten und Bedrohungen verstärkt die Notwendigkeit, für die eigenen Werte zu kämpfen, sagte Gauck am Mittwoch in einer Grundsatzrede in Berlin.

Mit Blick auf Ängste etwa vor Globalisierung oder Migration betonte Gauck zugleich die Stärke der deutschen Demokratie. Er appellierte deshalb an die Deutschen, das Vertrauen in die eigenen Kräfte nicht zu verlieren. Die Formel «Wir bleiben Deutsche als Europäer» sei die richtige Antwort auf Nationalisten. Es gebe allen Grund für dieses Selbstvertrauen und den Stolz auch auf die EU als «einzigartiges Friedens- und Wohlstandsprojekt».

Der scheidende Bundespräsident warnte zudem vor Vereinfachungen und Populisten. «Die entscheidende Trennlinie in unserer Demokratie verläuft nicht zwischen Alteingesessenen und Neubürgern, auch nicht zwischen Christen, Muslimen, Juden oder Atheisten. Die entscheidende Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten. Es zählt nicht die Herkunft, sondern die Haltung», sagte Gauck.

Stärker engagieren

Zugleich forderte der Bundespräsident ein noch stärkeres internationales Engagement Deutschlands und kritisierte indirekt die USA. Auch auf internationaler Bühne gelte: «Wer entschlossenes und reflektiertes Handeln durch Zuwarten ersetzt, überlässt anderen das Gesetz des Handelns. Nicht zuletzt durch amerikanische Selbstbeschränkung entstehen Zonen, in denen sich Mächte neu gruppieren oder neue Ansprüche anmelden», sagte er mit Hinweis etwa auf den Krieg in Syrien.

«Sich autoritär gebende Staatenlenker sind längst dabei, eigene Regeln zu diktieren, anerkannte Normen internationaler Zusammenarbeit ihrer Machtpolitik unterzuordnen und eigene Ordnungen zu schaffen.» Deutschland und die EU könnten zusehen oder aber sich dagegenstellen.

Die Bundesrepublik habe zwar in den vergangenen Jahren international mehr getan. «Trotzdem kommt Deutschland gegenwärtig bei weitem noch nicht allen Verpflichtungen nach.» Das Land müsse sich stärker engagieren.

Warnung vor pazifistischer Haltung

Gauck warnte zudem vor einer pazifistischen Haltung. «Denn die Aussage, es könne niemals eine militärische Lösung geben, klingt gut und ist gut, allerdings nur, solange sich alle Seiten an diese Maxime halten», sagte er. Daher müsse die EU ihre Verteidigungsanstrengungen verstärken.

«Und ich trete ein für eine unzweideutige Klarstellung gegenüber unseren osteuropäischen Verbündeten: Die Beistandspflicht der NATO gilt ohne Abstriche.» Hintergrund sind die Sorgen der osteuropäischen EU- und NATO-Partner vor Russland und kritische Aussagen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump zur Rolle der NATO.

Niemand müsse sich sorgen, dass Deutschland deshalb «seinen Charakter als friedliebendes und dialogbereites Mitglied der internationalen Gemeinschaft» verlieren werde. Vielmehr werde diese Rolle glaubhafter, «wenn das eigene Land und andere europäische Staaten nicht zum Spielball der Interessen jener werden sollen, die ganz andere Ziele verfolgen». Das sei der Kern der wehrhaften Demokratie, eine «republikanische Verteidigungsbereitschaft».

Am 12. Februar wird ein neuer Bundespräsident gewählt. Gauck tritt nicht für eine zweite Amtszeit an. Die Wahl von Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als gemeinsamer Kandidat der grossen Koalition gilt als sicher. (sda/reu)

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