Lieber «der Enthüller» oder lieber Enthüller? Ich bin grad ganz konfus ob Ihrem Namen, mein Lieber.
In einem Land, in welchem man Satire bold und pink als «Falschmeldung» deklarieren muss, damit man nicht mit Anzeigen eingedeckt wird, kann man es gar nicht richtig machen. Ausser eben mit Katzenbildli und Tiervideos. Oder höchstens vielleicht noch mit einem Gefäss, in welchem dank einer Überdosis Opportunismus heute über die Ausbeutung von Näherinnen in Bangladesch oder geknüppelte Mitarbeiter bei Zalando geschrieben und morgen schon die neusten Kollektionen derselben Anbieter präsentiert werden kann.
Satire hat es in diesem Umfeld schwer, weil niemand gerne den Spiegel vorgehalten bekommt und Ironie auch nicht so die Sache der Schweizer ist. Ausser man markiert auch diese gross und deutlich. Dass man es da mit Alltagsgeschichten und lustigen Grafiken einfacher hat, versteht sich von selbst.
Dennoch würde ich mich an Ihrer Stelle nicht zu sehr beeindrucken lassen. Weder von Shares der einen, noch von vollen Kommentarspalten der anderen. Denn der Preis, welche jene dafür zahlen, ist verdammt hoch und ich würde ihn nicht zahlen wollen. Vertrauen Sie auf die Qualität Ihres Inhalts und darauf, dass dieser seine Leserschaft finden wird.
Sie sind mutig und ich schätze Sie sehr, lieber Enthüller. Weil Mut ein verdammt seltenes Gut in unserer Branche ist und Sie sich die Mühe machen, Themen von einer ganz anderen Seite her anzugehen und auf unbequeme Art und Weise zu bringen. Dass das vielen quer im Hals stecken bleibt und sie darum den Share-Button nicht mehr drücken können, liegt in der Natur der Sache. So wie ein Artikel von mir über Impotenz vielleicht auch vielen Männern helfen, aber mit Sicherheit nicht geteilt würde. (Denn wer bekennt sich schon gern mit einem einzigen Klick zur Impotenz?)
Glauben Sie an sich, so wie ich an Sie glaube. Sie wären nicht dort, wo Sie heute sind, wenn Sie es nicht verdient hätten. Viele Blogger würden einiges dafür tun, für Ihren Internet-Start-up-Arbeitgeber (watson, um ihn beim Namen zu nennen) schreiben zu dürfen. Dass Sie es geschafft haben und die anderen nicht (und das, obwohl andere vielleicht mehr Klicks generieren würden) sagt viel über Ihre Qualität und Nachhaltigkeit aus. Aber auch über Ihren Arbeitgeber, der Ihr Niveau und Ihre Wertbeständigkeit ganz offensichtlich auch nicht nur an Zahlen misst.
Lassen Sie den Druck hinter sich und hören Sie auf, sich ständig zu vergleichen. Wer sich exponiert und das Publikum sucht, muss sich eine dicke Haut zulegen! Jömmerli und wehleidige Mimöslis haben in dieser Branche nichts verloren! So mache ich es und ich fahre verdammt gut damit.
Halten Sie sich lieber weiterhin an Ihr Mami, das scheint sich auszukennen. Nur das mit der Wäsche, das sollten Sie mit 27 langsam alleine auf die Reihe kriegen!
Mit liebem Gruss von Blogger an Blogger. Ihre Kafi.
P.S. Ihre T-Shirt-Idee ist ein grossartiges Back-up. Fast so originell wie meine «Ich bremse auch für Gunvor»-Kleber, die ich kurz nach deren ESC-Schlappe 1998 habe drucken lassen.