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Hält Obama sein Versprechen und stoppt das dreckigste Geschäft der Welt? 

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Keystone XL
Die Rohre für die Pipeline in Sumner, Texas, liegen bereit.
quelle: ap / tony gutierrez
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Pipeline Keystone XL

Hält Obama sein Versprechen und stoppt das dreckigste Geschäft der Welt? 

Die Öllobby und konservative US-Politiker wollen um jeden Preis die Ölpipeline Keystone XL von Kanada nach Texas bauen. Der Bau der Mega-Pipeline macht nicht nur ökologisch, sondern bei fallenden Ölpreisen auch ökonomisch keinen Sinn mehr. Es ist ein absurder Glaubensstreit geworden.
12.01.2015, 10:2512.01.2015, 18:31
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Die Fakten sind schnell erzählt: Die Pipeline Keystone XL soll das aus Teersand gewonnene Öl von der kanadischen Provinz Alberta quer durch die Vereinigten Staaten in die texanische Hafenstadt Port Arthur transportieren. Doch es geht um weit mehr: «Keystone ist nicht einfach eine Pipeline», schreibt die Politaktivistin Naomi Klein in ihrem jüngsten Buch «This Changes Everything». «Sie ist der Ausdruck dafür geworden, ob es uns gelingen wird, die Umweltkrise zu bewältigen oder nicht.» 

«Keystone ist (...) der Ausdruck dafür geworden, ob es uns gelingen wird, die Umweltkrise zu bewältigen oder nicht.» 
Politiaktivistin Naomi Klein

Der Kampf um Keystone XL wird immer mehr zu einer Auseinandersetzung darüber: Was für eine Wirtschaftsordnung wollen wir im 21. Jahrhundert? Deshalb hat die Pipeline in der amerikanischen Politik eine grosse Bedeutung erhalten. Es tobt heute ein Glaubenskrieg zwischen Umweltaktivisten und Leugnern der Klimaerwärmung. 

Reaktionäre Koch Brüder gegen Neil Young

Die Fronten sind klar verteilt: Auf der einen Seite stehen konservative Politiker, hauptsächlich Republikaner. Es gibt jedoch auch im demokratischen Lager Befürworter der Keystone XL. Für sie ist die Pipline ein Garant für Jobs und künftigen Ölsegen. Sie werden unterstützt von der Öllobby, hauptsächlich von den reaktionären Koch-Brüdern. 

Auf der anderen Seite stehen die Umweltaktivisten. Die Front reicht dabei von Ureinwohnern bis zu kalifornischen Milliardären und kanadischen Rockstars. Der Hedge-Fund-Manager Tom Steyer setzt im Kampf gegen die Keystone hunderte von Millionen Dollar ein. Neil Young hat eine Protest-Tournee gegen die Pipeline durchgeführt und die Einnahmen der Widerstandsbewegung gespendet.

Obama kann Veto einlegen

In Washington geht nun die politische Auseinandersetzung in die heisse Phase. Das US-Abgeordnetenhaus hat dem Bau der Pipeline bereits zugestimmt. Auch im Senat haben die Republikaner nun die Mehrheit und ihr Anführer, Mitch McConnell, hat erklärt, dass die Keystone XL höchste Priorität geniessen würde. Er kann die Agenda im Senat bestimmen, und es besteht kein Zweifel, dass er eine Mehrheit für den Bau erhalten wird. 

Auch das oberste Gericht im Bundesstaat Nebraska hat eine Klage gegen den Bau inzwischen abgewiesen. Jetzt kann daher nur Präsident Obama mit einem Veto die Keystone XL verhindern. Er hat mehrfach versprochen, dies zu tun.

Keystone XL: Geplanter Ausbau.
Keystone XL: Geplanter Ausbau.Bild: shield the people

Riesige Giftseen im kanadischen Urwald

Ökologisch ist die Gewinnung von Öl aus Teersand eine Katastrophe. Bei der Verarbeitung werden 17 Prozent mehr Treibhausgase freigesetzt als bei normalen Öl. In der kanadischen Provinz Alberta sind seit dem Beginn des Abbaus im Jahr 2000 rund 800'000 Hektaren Wald gerodet worden, eine Fläche, die grösser ist als der Kanton Graubünden. Wird die Keystone gebaut, dann wird noch weit mehr Wald vernichtet werden.

Im Abbaugebiet werden auch riesige Seen mit giftigem Abwasser angelegt. Sie verwandeln den kanadischen Urwald in eine Mondlandschaft. Der grösste Teil des Teersands ist gefroren und muss mit Dampf aufgetaut werden.

Energiebilanz ist ein schlechter Witz

Die Energiebilanz dieses Öls ist daher ein schlechter Witz: Rund ein Drittel geht schon bei der Gewinnung drauf. Auch wirtschaftlich macht das Ganze keinen Sinn. Damit sich der Abbau lohnt, muss der Ölpreis bei mindestens 80 Dollar pro Fass liegen. Derzeit liegt er deutlich darunter. 

«Die Wiederaufforstung der zerstörten Wälder ist ein Albtraum.» 
Andrew Nikiforuk in der «New York Times»

Die Keystone XL würde eine ganze Reihe von weiteren Ökokatastrophen nach sich ziehen. Die Energie für den Abbau des Teersand-Öls würde von Erdgas aus der Provinz British Columbia stammen, wo es mittels der ebenfalls umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird. Auch hier würde der Lebensraum von Indianern und Tieren zerstört werden.

Keystone ist auch wirtschaftlich überflüssig

Die Ölkonzerne haben versprochen, nach dem brutalen Eingriff die Natur dereinst wieder instand zu setzen. Ob sie jedoch in der Lage sind, ihre Versprechen auch einzulösen, ist fraglich. «Die Wiederaufforstung der zerstörten Wälder ist ein Albtraum», stellt Andrew Nikiforuk in der «New York Times» fest. «Niemand weiss, wie man die Wälder wieder instand setzen kann.» 

Keystone XL ist nicht nur ökologisch eine Katastrophe, sie ist auch wirtschaftlich gesehen überflüssig geworden. Bei Preisen von weniger als 50 Dollar pro Fass ist die Gewinnung von Öl aus Teersand nicht profitabel. Zudem werden Solar- und Windenergie dank technischen Fortschritten immer billiger.

Energiewende stellt Exxon, Shell und Co. infrage

Investitionen beginnen sich zu lohnen. «Letzte Woche hat das Energiedepartement seine Investitionen offengelegt und dabei bewiesen, dass es mit seinem Programm zur Unterstützung von nachhaltiger Energie einen Gewinn von fünf Milliarden Dollar erzielt hat», stellt Nobelpreisträger Paul Krugman fest. 

«Das ist keine Innovation, das ist Wahnsinn.» 
Politaktivistin Naomi Klein

Für die Öllobby steht jedoch sehr viel auf dem Spiel. Würden sich auch die USA zu einer Energiewende durchringen und konsequent auf die Karte erneuerbare Energie setzen, würden Exxon, Chevron, Shell, BP & Co. gewaltige Verluste erleiden, denn ihr grösstes Gewinnpotenzial sind ihre Erdölreserven. Der Kampf um die Keystone XL wird zu einer entscheidenden Schlacht um die Wirtschaftsordnung der Zukunft. Wollen wir eine dezentrale Energieordnung mit sanfter, erneuerbarer Energie oder nicht?

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Der letzte Tropfen Öl wird aus dem Gestein gepresst

Die Alternative beschreibt Naomi Klein wie folgt: «Wir sprengen die Grundfesten unserer Erde, pumpen Gifte in unser Wasser, tragen Bergspitzen ab, roden Urwald, bringen die Ozeane in Gefahr und machen uns auf, die Schätze der Arktis zu heben – alles nur, um den letzten Tropfen Öl aus den Gesteinen zu pressen. Moderne Technik hat dies alles möglich gemacht, aber das ist keine Innovation, das ist Wahnsinn.» 

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