Manchmal ist das Stück Blech vorne und hinten am Auto mehr wert als das Fahrzeug selbst, zumindest wenn es sich um ein Kennzeichen mit einer besonders tiefen Nummer handelt. In Bern wurde 2022 «BE 1», das wohl begehrteste aller Berner Kontrollschilder, verkauft – und das zum ersten Mal seit rund 70 Jahren.
Der Grund für den spektakulären Verkauf ist aber kein besonders erfreulicher. Bisher war «BE 1» nämlich Teil der Berner Nova-Taxi-Flotte. Der Geschäftsführer Markus Kunz sah sich 2022 aber gezwungen, die tiefe Nummer aus wirtschaftlichen Gründen zu verkaufen. «Wir haben immer kommuniziert, dass das unser Tafelsilber ist und dass es uns schon schlecht gehen müsste, wenn wir es würden verkaufen wollen. Jetzt ist es soweit, wir haben beschlossen, diese Nummer und andere zwei- und dreistellige Nummern zu verkaufen», sagte er damals zu BärnToday.
Die Nummer befand sich bereits seit einer halben Ewigkeit im Besitz des Taxiunternehmens. In den 1950er Jahren, als sich mehrere selbstständige Taxifahrer zu Nova Taxi zusammenschlossen, habe einer von ihnen die Nummer mitgebracht, erklärt Kunz. Viele Fahrer und auch Kunden hätten Freude an «BE 1», manchmal sei sie sogar spezifisch für Anlässe wie Hochzeiten bestellt worden.
Im Vorfeld wollte Kunz das Schild per Auktion verkaufen und erwartete dabei einen Verkaufspreis um die 170'000 bis 200'000 Franken. Der Rekord für das bisher teuerste Kennzeichen liegt aktuell bei 233'000 Franken, bezahlt im Frühjahr 2018 für «ZG 10».
Schliesslich verkaufte der Taxiunternehmer das Schild aber direkt an eine Privatperson. Über den Preis habe man Stillschweigen vereinbart, so Kunz. Er sei aber in der Grössenordnung, in welcher «ZH 100» verkauft wurde – zwar «nicht ganz so viel, aber trotzdem so, dass es für uns gestimmt hat», so Kunz. «ZH 100» wurde vor einer Woche für 226'000 Franken versteigert. Das Nummernschild «BE 1» dürfte also schätzungsweise für um die 200'000 Franken den Besitzer gewechselt haben.
Auf den ganzen Kaufpreis kann Kunz aber nicht hoffen – ein stattlicher Teil geht an den Kanton Bern. Da es sich bei «BE 1» um die Nummer eines Taxiunternehmens handelt, welche ausgelöst werden muss, fällt eine Sondergebühr «im sehr hohen fünfstelligen Bereich» an. «Wenn ich das Nummernschild an eine andere Taxifirma verkaufen würde, würde diese Abgabe nur 2500 Franken betragen.» Zumindest für die Kantonskasse lohnt sich das Geschäft: 2019 nahm der Kanton Bern etwa über 1,5 Millionen Franken durch die Versteigerung von Nummernschildern ein.
Die Nachfrage nach Taxi-Fahrten hätte sich auch immer noch nicht ganz von der Coronapandemie erholt, noch immer befänden sich diese Zahlen laut Kunz um die 10 bis 20 Prozent unter dem Wert von 2018 und 2019. «Die Taxibranche wird vergessen und nicht unterstützt», sagt er. Während der Pandemie hätten selbstständige Taxifahrerinnen und Taxifahrern zwar Unterstützung erhalten, nicht aber Firmen wie Nova Taxi.
Leider sei der Status des Taxifahrers in der Gesellschaft gleich null, sagt der Taxiunternehmer. «Wenn ich aber sehe, was unsere Fahrer alles machen und bieten, müsste der Beruf eigentlich viel mehr Renommee haben.»
Dazu kommt, dass es zu wenige Taxifahrer gibt. «Freitag- und Samstagnacht waren früher 25 Autos von uns unterwegs, heute sind es noch um die 9», so der Nova-Taxi-Geschäftsführer. Die Infrastruktur von Garage und Zentrale würde viel Geld kosten, was sich mit den aktuellen Einnahmen nicht mehr decken lasse – ein Problem, unter dem alle Taxi-Unternehmen leiden, wie Kunz weiss.
Ein Hauptproblem liege in der Ausbildungsdauer, welche im Kanton Bern deutlich länger ist als in benachbarten Kantonen wie Freiburg oder Solothurn. Im Kanton Bern muss ein angehender Taxifahrer, der bereits Autofahren kann, trotzdem noch vier bis sechs Monate warten, wie Kunz erklärt. «Dadurch verlieren wir am meisten Leute. Wenn es einen Monat dauern würde, hätte ich 30 Leute mehr.»