Mit Würfeln und Fantasie bewaffnet begibt man sich beim Spielen von Rollenspielen seit Jahrzehnten als mutiger Krieger oder flinke Waldläuferin in Abenteuerwelten und erzählt gemeinsam eine Geschichte.
Meistens halten dabei dafür erfundene Fantasywelten her. Eine ambitionierte Veranstaltung will den interaktiven Fantasy-, Science-Fiction- und Horror-Spass nach Bern bringen. Und das gleich in doppelter Weise. Zum einen wird beim «Mega Bern Project» bei verschiedenen Berner Rollenspielvereinen und Läden gespielt, zum anderen sollen auch die Geschichten in und um Bern stattfinden.
Rund 100 Personen sollen Mitte November an insgesamt 17 Tischen spielen und dabei Geschichten wie «Down the Bären Park», «Grindelwaldner Zwergen Spiele» oder «Das Dracheloch» erleben. Zwei der involvierten Personen sind Tim und Tinu. Wir haben die beiden Rollenspielbegeisterten getroffen.
«Verschiedene Spieltische sollen zusammen an einer übergreifenden Geschichte spielen. Alle sollen einzelne Puzzleteile erleben und miteinander interagieren», erklärt Tim die Idee hinter dem Projekt. Man könne sich das wie beim Fantasy-Epos Herr der Ringe vorstellen: Auch dort gibt es verschiedene Heldengruppen, die während der Geschichte unterschiedliche Abenteuer erleben, die aber alle irgendwie zusammenhängen.
Das Spezielle daran: Je nach Tisch werden andere Rollenspiele gespielt. Am bekanntesten ist sicherlich die klassische Fantasywelt von Dungeons & Dragons (D&D), die in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag feiern konnte. D&D ist Teil der Popkultur geworden: Bei der beliebten Netflix-Serie «Stranger Things» spielt Dungeons & Dragons eine tragende Rolle, und 2023 erschien der D&D-Kinofilm «Ehre unter Dieben/Honor Among Thieves». Die Hälfte der 17 Tische wird mit den Regeln dieses populären Systems gespielt.
Die Bandbreite der anderen Tische lässt sich sehen: Angeboten werden unter anderem ein Horrorszenario in der heutigen Zeit, ein Einbruch in das Goldlager der Schweizer Nationalbank, ein Jane-Austin-Rollenspiel oder ein Abenteuer als daumengrosse Winzlinge im Berner Zytgloggeturm.
Verbunden werden die verschiedenen Abenteuer durch eine gemeinsame Hauptgeschichte, den sogenannten «Metaplot». Dieser wurde von Tinu entwickelt – inspiriert wurde er dabei bei einem Besuch der St. Beatus-Höhlen. «In der Geschichte geht es um den heiligen Beatus, der gemäss der Legende einen Drachen getötet haben soll. Doch was, wenn der Drache gar nicht gestorben ist? Im Metaplot ist dieser Drache nach Bern gekommen und hat dort Leute gefressen, bevor er von einer Druidin in den Schlaf gezaubert wurde», schildert Tinu. Um den heiligen Beatus habe sich in einer Version ein Kult gebildet, die sogenannten Beatusianer die darauf achten, dass der Drache versteckt bleibt und weiterschläft.
«Doch, wie in vielen Fantasy-Geschichten, hat jemand zu tief gegraben... in diesem Fall die SBB beim aktuellen Bahnhofsumbau. Jetzt besteht die Gefahr, dass der Drache wieder aufwacht», erklärt Tinu. Die Heldinnen und Helden müssen nun am 17. November in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Katastrophe verhindern. Auch weitere Ideen, wie eine magische Parallelgesellschaft und ein zusätzlicher geheimer Bundesrat, wurden in die Geschichte verwoben.
Auf Basis dieser Grundgeschichte haben die Spielleiterinnen und Spielleiter ihre eigenen Abenteuer geschrieben. «Es ging uns darum, den Leitenden ultimative Freiheit zu lassen, und diese Kreativität nicht einzuschränken», erklärt Tinu. Gespielt wird, je nach Tisch, auf Deutsch, Schweizerdeutsch oder Englisch an verschiedenen Standorten der Berner Rollenspielszene: Im DracheNäscht, der Erupt Lounge, in der Zwergenschmiede und bei den Vereinen Katakomben und Lindwürmer und Chaos Dice Club. «Ohne die Interessengemeinschaft RPGBern wäre das ganze nicht möglich gewesen», sagt Tinu.
Das Angebot vom 17. November richtet sich dabei eher an erfahrenere Spielerinnen und Spieler. «Durch die Komplexität ist es eher nicht für Spielende geeignet, die noch nie mit einem Rollenspiel in Berührung gekommen sind», sagen die Organisatoren. Wer aber sonst gerne mal Rollenspiel-Luft schnuppern möchte, findet diverse Einstiegsangebote bei den verschiedenen teilnehmenden Vereinen und Veranstaltungsorten.
Die Veranstaltung soll auch dazu dienen, dass die Menschen in der Berner Rollenspiel-Community etwas zusammen erleben können. Normalerweise sitzen bei einer solchen Spielrunde zwischen zwei bis sechs Leute an einem Tisch. «An so einer Veranstaltung können sich verschiedene Spielerinnen und Spieler treffen und anschliessend austauschen, wer was erlebt hat», freut sich Tinu. Und die Organisatoren hoffen, damit auch neue Leute anzusprechen.
So gebe es zahlreiche «Insel-Gruppen», die nur zusammen spielen. «Wenn jemand aus so einer Gruppe davon hört und zu uns kommt, sehen sie, dass es in Bern schon eine grosse Community hat.»
Gestartet ist das Projekt vor ziemlich genau einem Jahr. Im Mai hat man aktiv nach Spielleiterinnen und Spielleitern gesucht und im Juli stand dann der übergreifende Plot. Nun ist noch etwas besonders wichtig: «Die Plätze zu füllen.» Aktuell sind rund 60 Prozent der verfügbaren Plätze besetzt und einige Tische bereits voll. «Es gibt noch Spiele, die zu wenige Spielerinnen und Spieler haben», sagt Tim. Die Teilnahme ist kostenlos und anmelden kann man sich bis am 10. November, eine Woche vor dem Event selbst. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten gibt es auf der Webseite der Veranstaltung.