Seit zwölf Jahren betreibt Franz Rueb in einer städtischen Wohnung ein Bed and Breakfast. Der clevere Rentner erscheint als Herbergsvater im «Tages-Anzeiger», veröffentlicht ein Tagebuch über die Begegnungen mit den Gästen und spannt die Nachbarn in seine Geschäfte mit ein. Doch die Vermieterin, die Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich, reagiert nicht. Sie habe – bis vor einem halben Jahr – nichts von all dem gewusst. Man könne die Mieter nicht überwachen. Und: Rueb sei ein Einzelfall.
Das ist er nicht. watson sind zwei weitere Personen bekannt, die in städtischen Wohnungen leben und, zwar nicht gewerblich, aber doch mit gewinnbringender Absicht, Zimmer über die Plattform Airbnb vermieten. Und: Zwar kündigte die Liegenschaftenverwaltung bereits im Februar an, man werde Hinweisen zur touristischen Untervermietung von städtischen Wohnungen nachgehen. Doch Rueb vermietet noch immer.
Das verärgert Politiker aus allen Lagern. «Der Fall von Franz Rueb ist äusserst stossend», sagt Pablo Bünger von der FDP. Marco Denoth, Co-Präsident der SP Zürich, fügt an: «Es geht nicht, dass Herr Rueb die generierten Einkünfte nicht versteuert.» Das werde den Rentner, so Christoph Hug, Präsident der Grünen Stadt Zürich, noch tief in die Bredouille bringen. «Und das völlig zu Recht.»
Dass Rueb ein Einzelfall sei, wie die Liegenschaftenverwaltung sagt, glauben die wenigsten. «Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Missbrauch von städtischen Wohnungen durch Mieter ist ein allgegenwärtiges Problem», sagt Bünger.
Muss also die Liegenschaftenverwaltung ihren Mietern besser auf die Finger schauen? «Die mietrechtliche Durchsetzung von Belegungsvorschriften ist aufgrund der bestehenden Verträge schwierig», gibt Marco Denoth zu bedenken. So argumentiert auch die Liegenschaftenverwaltung. Gegenüber watson beteuern die Verantwortlichen, ihnen seien die Hände gebunden.
Das stösst auf Kritik. «Die Liegenschaftenverwaltung muss und kann bereits jetzt aktiv werden», sagt Gemeinderat Adrian Gautschi von den Grünliberalen. Auch SVP-Gemeinderat Mauro Tuena übt Kritik. «Sie macht es sich ein bisschen gar einfach», sagt Tuena. «Es wäre längst an der Zeit, drei Gänge raufzuschalten.» Und Bünger meint: «Die Liegenschaftenverwaltung schaut lieber weg und versteckt sich hinter Paragraphen.»
Schärfer formuliert Michael Baumer, Präsident der FDP Stadt Zürich die mutmasslichen Missstände in der Liegenschaftenverwaltung. «Die Tatsache, dass eine Person alleine zwölf Jahre lang in einer städtischen 5,5-Zimmerwohnung wohnen kann, zeigt, dass die Stadt es selber nicht ernst nimmt, Wohnungen für wenig verdienende Familien zur Verfügung zu stellen.»
Doch ohne politischen Auftrag scheint das nicht zu funktionieren. Die Vertragspraxis müsse deshalb dringend angepasst werden, fordern Politiker von rechts bis links. «Die neue Verordnung über städtisches, nichtsubventioniertes Wohnen muss rigorose Belegungsvorschriften beinhalten, womit neue Vertragsgrundlagen geschaffen werden können», sagt Denoth. Gautschi schlägt ausserdem einen Massnahmenkatalog vor. Im Extremfall müsse dieser vorsehen, dass bei einem Missbrauch vertraglich vereinbarte Strafzahlungen greifen und sogar eine Kündigung möglich ist. «Damit steigt auch der Druck auf die Mieter, gar nicht erst zu tricksen», sagt Gautschi.
CVP-Gemeinderat Markus Hungerbühler fügt an: «Es braucht eine regelmässige Kontrolle aller Mieter. Wenn sich die Lebensumstände ändern, muss auch das Mietverhältnis überprüft werden.» Ausserdem müsse die Vermietung von Zimmern über Airbnb thematisiert werden. «Auch hier braucht es Regeln», sagt Hungerbühler.
Das soll sich jetzt ändern. «Die Stadt plant die Anpassung der Vermietungsrichtlinien für städtische Wohnungen», so der Finanzvorstand auf Anfrage. Da diese neue Verordnung allerdings im Stadtrat noch nicht behandelt wurde, kann noch nicht über Details informiert werden. Doch Leupi kündigt an: «Grundsätzlich möchten wir, dass wir künftig die Belegung und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mieter städtischer Wohnungen nicht nur zu Beginn, sondern auch im Verlauf des Mietverhältnisses überprüfen können.»