Liebe Mitkochende, heute will ich gar nicht gross um den heissen Brei reden. Wir gehen gleich ans Eingemachte. Und man merke: Zwei Wortspiele nacheinander wirken saumässig platt. Aber anders bekam ich sie nicht aus meinem Kopf. Sorry dafür!
Ob für Früchte oder um den Einkauf nach Hause zu tragen, natürlich sind Plastiksäckli dafür überflüssig. Es gäbe zig Mehrweglösungen, die für die Umwelt und das Klima besser sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sogar ganze Studien dazu verfasst, welche Tragtaschen die Umwelt am wenigsten belasten. Dünne, zusammenfaltbare Shopper aus Recycling-Plastik, die man nach Gebrauch in ihr eigenes Minisäckchen stopft, das gute alte Einkaufsnetz oder die selbstgenähte Tasche aus alten Jeans wären ziemlich gute Varianten. Das aber nur am Rande.
Denn – und jetzt kommt das, was niemand gerne liest – das Plastiksäcklisparen bringt der Umwelt und dem Klima im Vergleich zu anderen Massnahmen* am allerwenigsten, also praktisch nichts.
* Beispiele für andere Massnahmen vom grössten zum geringsten Impact für die Umwelt:
All das bringt der Umwelt mehr als das Plastiksäcklisparen.
Eigentlich sollten Mehrwegtaschen die Normalität sein, damit wir uns bei Klima und Umwelt auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren können.
Stellt euch mal vor: Coop, Migros, Denner und alle anderen würden einfach keine Plastiksäcke und Papiertaschen mehr anbieten. Vermutlich hätten wir uns nach zwei, drei Wochen angewöhnt, immer ein Säckli dabei zu haben. Nach zwei, drei Jahren würden wir das eigentlich für eine ganz gute Sache halten – wie beim Rauchverbot im Resti oder Zug. Nach 10 bis 20 Jahren würde selbst ein Horst zurückblicken und sagen: «Wie absurd doch dieser Plastiksäckliwahn war damals, weisch no Hans-Heiri?», und der Hans-Heiri: «Ja, verrückt, wie wir überhaupt auf eine so blöde Idee gekommen sind, fast wie mit dem Rauchen im Zug und Restaurant.»
Das kann aber auch nur dem Horst passieren, denkt ihr vermutlich. Aber nein, auf Regionalität fahren wir besonders ab, vermutlich aus Liebe zur Schweiz, dank intensivem Marketing oder weil Regionalität gut fassbar ist für unseren Verstand.
Sobald wir aber Schweizer Tomaten oder Salat aus dem beheizten Gewächshaus kaufen, hätten wir dem Klima zuliebe besser solche vom Freiland in Südeuropa gekauft.
Das hat aber natürlich auch seine Tücken. Denn oftmals werden viel zu viel Wasser, Dünger und Pestizide verbraucht, um halb Europa insbesondere im Winterhalbjahr mit Gemüse und Früchten zu versorgen. Bekanntestes Beispiel ist Südspanien.
Tatsächlich macht Regionalität kombiniert mit Saisonalität mehr Sinn. Das würde bedeuten, dass wir im Winter hauptsächlich auf Lagergemüse und -früchte setzen.
Die Kombi mit regional und saisonal ist aber eigentlich nur möglich, wenn wir uns stärker pflanzlich ernähren. Denn nebst dem wir Kraftfutter importieren, wird zusätzlich auf 60 Prozent des hiesigen Ackerlandes Kraftfutter für Kühe, Schweine und Hühner angebaut. Das ist für den Selbstversorgungsgrad der Schweiz (der in diesem Fall ja möglichst hoch sein sollte) ein Schlag ins Gesicht. Er liegt aktuell bei knapp 50 Prozent.
Würden wir die Nahrung nicht erst durch Kühe, Schweine und Hühner schieben, um an tierische Lebensmittel zu gelangen, hätten wir wesentlich mehr Nahrung zur Verfügung. Man spricht hier von Nahrungsmittelkonkurrenz. Das Gegenteil davon: Man lässt beispielsweise Kühe, Schafe und Ziegen auf Grasland weiden, das nicht zum Ackerbau genutzt werden kann oder ernährt Schweine mit Küchenabfällen (seit 2006 verboten). Dann verwandeln die Tiere Zeugs, das wir nicht essen können, in etwas, das wir essen können. Und mit ihrem Mist werden die Felder gedüngt.
Auch Food Waste spielt beim Selbstversorgungsgrad natürlich eine wichtige Rolle. Dazu gleich mehr.
Ihr erreicht für Klima und Umwelt massiv mehr, wenn ihr weniger tierische Lebensmittel esst – insbesondere viel weniger Fleisch. Darüber hinaus ergibt es Sinn, wenn ihr euch einen Saisonkalender an den Kühlschrank hängt (und benutzt). Ich weiss, ich bin wieder mal die Spielverderberin, aber immerhin für den guten Zweck.
Jede Person wirft jedes Jahr im Schnitt 620 Franken in den Abfall – und zwar in Form von Lebensmitteln, die sie gekauft, aber nicht gegessen hat. Und das ist nur das Ende der Produktionskette. Zwischen Acker und Teller endet in der Schweiz ein Drittel aller Lebensmittel als Food Waste, obwohl sie essbar wären! Mit anderen Worten: Wir hätten viel mehr regionale und saisonale Lebensmittel zur Verfügung, wenn wir sie essen würden (klingt absurd, ist aber genau so gemeint).
Damit ihr einen Eindruck habt über das Ausmass: 25 Prozent der ernährungsbedingten Umweltbelastung in der Schweiz geht auf das Konto vermeidbarer Lebensmittelverschwendung.
Und jetzt der Vergleich: Bei der Umweltbelastung durch unsere Ernährung machen notwendige Lebensmittelverpackungen, welche ein Produkt vor dem Verderb schützen oder transportfähig machen, zwei Prozent aus. Die restlichen 98 Prozent entfallen auf das Produkt selbst und den Transport (7 Prozent von den 98). Die Zahlen hat übrigens das Schaffhauser Ökobilanzierungs-Unternehmen ESU-Services errechnet. Un-fun fact: Einwegglas, das ihr in die Glassammlung schmeisst, wird zwar recycelt, hat aber trotzdem eine sehr schlechte Ökobilanz. Zum einen wegen des Gewichts, zum anderen, weil das Recycling saumässig energieaufwändig ist.
Kurz gesagt: Keine Verpackung ist immer die beste Wahl, wenn dadurch kein Food Waste entsteht. Das ist leider oft nicht möglich.
Wo ihr hingegen unglaublich viel Einwegverpackungen und Müll sparen könnt, ist beispielsweise beim Take-away. Da gibt es beispielsweise das Recircle-System mit dem Mehrweg-Geschirr, das ihr euch an vielen Fressbuden oder Kaffee-Tankstellen füllen lassen könnt. Oder ihr nehmt einfach die Reste vom Vortag als Zmittag in der Tupperdose mit.
Letztlich ist es super, wenn ihr darauf achtet, weniger Verpackungsabfall zu produzieren. Aber ihr erinnert euch, Lebensmittelabfälle zu vermeiden, steht auf der Impact-Best-of-Liste auf Platz zwei.
Wer meinen Blogbeitrag übers Autoabschaffen gelesen hat, weiss, was jetzt kommt. Ich fasse mich daher kurz. Eurer Gesundheit und dem Klima zuliebe bringt es viel, wenn ihr eure Einkäufe zu Fuss, mit dem Velo oder ÖV macht. Jeder Personenkilometer mit dem Benziner kostet in der Schweiz 186 Gramm CO2-eq, jeder Velokilometer dagegen nicht ganz 6 Gramm. Wie die Zahlen errechnet werden, erkläre ich im erwähnten Beitrag inklusive Quellenangaben. Wer nicht alles schleppen mag, kann sich den Grosseinkauf nach Hause liefern lassen. Spart Zeit und Nerven.
Es ist flott, wenn ihr extra zum Bio-Bauernhof fahrt, um dort ein bitz was Umweltfreundliches einzukaufen. Aber wenn ihr dafür den Benziner nehmt, habt ihr dem Klima unter Umständen mehr geschadet als geholfen. Ihr könntet aus dem Einkauf im Hofladen stattdessen einen schönen Spaziergang oder eine Velotour machen. Oder wenn es gar nicht ohne Auto geht, dann könnt ihr euch mit anderen zusammentun, sodass nicht jeder einzeln mit dem Chlapf zum Hof fährt.
Oft fragen mich die Leute, worauf ich in meinem Alltag nicht oder kaum verzichten kann. Die Antwort ist einfach! Käse. Und als wäre das die Mutter aller Stichworte, fangen wir an, über Milch- und Fleisch-Ersatzprodukte zu diskutieren.
Ich glaube ja, viele von uns machen da einen Denkfehler, was vermutlich an der Sprache selbst oder genauer, der Bezeichnung «Ersatz» liegt. In unserer Wahrnehmung sind die Produkte dann weniger wert(voll), weniger gut, halt nicht so wie Fleisch oder Käse, sondern «nur» ein Ersatz. Das kann dazu führen, dass wir etwas gar nicht erst probieren, das uns vielleicht schmecken würde oder etwas probieren, aber ein viel strengeres Urteil fällen, als wir es bei stinknormalem Käse oder dem Burger machen würden.
Für alle, die jetzt innerlich aufschreien, «ja, aber was ist denn mit dem ganzen Eiweiss, Eisen oder Kalzium, hä?», die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung hat ein Merkblatt zusammengestellt, das erklärt, wie wir uns ausgewogen pflanzlich ernähren können – gerade auch im Hinblick auf Eisen oder Vitamin B12. Greenpeace hat online die Broschüre «Atlas der pflanzlichen Ernährung» herausgegeben. Sie zeigt, welche pflanzlichen Lebensmittel besonders reich an Proteinen, Kalzium, Eisen und Zink sind. Die «Planetary Health Diet» gibt eine Orientierung, wie viel tierische Lebensmittel ihr bei einer gesunden, nachhaltigen Ernährung essen könnt.
Wir müssen uns nicht zwingend vegan ernähren, aber wir sollten Alternativen zu tierischen Produkten als ganz normale Lebensmittel in unseren Alltag integrieren und gar nicht erst ein Riesen-Ding draus machen. Würden wir nämlich unvoreingenommen an diese Produkte herangehen, würden wir mehr danach entscheiden, ob wir sie mögen oder nicht. Und selbst, wenn wir sie dann nicht mögen, ist die allwissende Müllhalde namens Internet immer noch voll von vegetarischen und veganen Rezepten.
PS: Inzwischen habe ich vier Käsesorten gefunden, die ich richtig gern esse, nur bestehen sie halt nicht aus Kuhmilch.
Ein Detail geht bei der ganzen Fleischersetzerei oftmals vergessen. Um tatsächlich einen Nutzen zu haben, sollten wir uns überlegen, welche Fleischprodukte wir ersetzen, und falls wir daneben weiter Fleisch essen, welches das sein soll.
Eine einfache Annahme: Wir ersetzen nur die Bratwurst durch eine Vegi-Wurst, essen aber immer noch gleich oft Rindsplätzli und Steak, dann muss dafür genau gleich ein Rind gemästet und getötet werden. Im Extremfall wird einfach noch weniger vom Tier verwertet und zusätzlich zum Tier musste die Vegi-Wurst produziert werden.
Besser Steak öfter durch Pflanzensteak und Bratwurst durch eine Vegi-Wurst ersetzen. Leberli, Nierli und andere Innereien oder mal eine Wurst, in der das ganze Gschmäus unkenntlich gemixt wurde, helfen gegen Food Waste.
Wenn es heisst, die Kundinnen und Kunden stimmen mit ihren Kaufentscheiden darüber ab, was produziert werden soll und was eher nicht, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Denn das Thema Ernährung und Lebensmittelproduktion ist schlicht zu komplex: Für adäquate Entscheide fehlen auf den Verpackungen wichtige Informationen. Auch würden wir vermutlich zwei Stunden brauchen, um das richtige Produkt auszuwählen und letztlich fehlt den meisten von uns schlicht das Wissen, um zugunsten der Umwelt zu entscheiden.
Abgesehen davon kosten die umweltfreundlichen Produkte wie Bio-Lebensmittel oder pflanzliche Ersatzprodukte oftmals mehr als Billigfleisch und konventionell produzierte Ware. Damit sind sie für viele Konsumentinnen und Konsumenten schlicht zu teuer, was nicht zuletzt auch mit der Politik zusammenhängt, etwa wenn es um Subventionen geht oder staatlich geförderte Werbung für Fleisch- und Milchprodukte. Letztere beeinflusst dann wiederum die Bedürfnisse und Wahrnehmung der Gesellschaft.
Ich bin sicher, die wenigsten von uns würden Dinge sagen wie:
«Lasst uns Kartoffeln schon auf dem Feld wegschmeissen, wenn sie keine perfekte Form haben und fliegt im März Erdbeeren und Spargeln mit dem Flugzeug ein. Wir können nicht warten, bis die Saison beginnt!»
«Mästet die Hühner innert 35 Tagen auf zwei Kilo hoch, egal, wie sehr sie leiden und ob sie nur ein A4-Blatt Platz haben – sie können sich durch ihr Gewicht eh nicht mehr bewegen. Hauptsache, ich kann viel Poulet essen.»
Das alles klingt absurd. Trotzdem haben sich Angebot und Nachfrage an diesen Punkt hochgeschaukelt – nicht zuletzt dank der Politik.
Um also Grundlegendes zu bewegen, müssen wir uns politisch engagieren. Denn zu glauben, alle Menschen würden aus Vernunft und Verantwortungsgefühl beispielsweise vermehrt auf eine pflanzliche Ernährung setzen, ist so naiv, wie zu glauben, das Rauchverbot in geschlossenen Räumen wie Restaurants und Büros wäre unnötig gewesen. Denn Beizer und Raucherinnen hätten aus Eigenverantwortung und den passivrauchenden Mitmenschen zuliebe kaum von alleine auf das Rauchen in besagten Räumen verzichtet. Dafür brauchte es 2010 das Ja an der Urne.
Politisches Engagement muss auch nicht zwingend auf nationaler Ebene anfangen oder enden. Viele Umweltschutzorganisationen setzten sich auf politischem Weg dafür ein, unsere Ernährung klima- und umweltfreundlicher zu machen. Ihr könnt sie unterstützen. Und eigentlich beginnt politisches Engagement bereits bei der Sensibilisierung der Mitmenschen. Warum beim nächsten Vereinsanlass nicht ein vegetarisches Menü kochen; sich in der Firmenkantine für eine Restess-Ecke gegen Food Waste starkmachen oder beim nächsten Geburtstagsfest einfach mal nur Vegi-Burger als Hauptgericht anbieten?
Walter Sahli
Kann man ohne Weiteres, wenn man bereit ist, sich den "DaS iSt BeVoRmUnDuNg!!!111!!!" und "OhNe FlEiScH iSt Es KeIn EsSeN!!11!!" Vorwürfen auszusetzen.
Genau wie bei den "Ersatzprodukten" ist es in erster Linie eine Kopf- und nicht Geschmacksache, ob vegetarisches Essen an einem Anlass akzeptiert wird. Antibiotikapoulet aus China in einer Industriesauce wird problemlos verzehrt - weil Fleisch-, während es bei leckerem Grillgemüse einen halben Aufstand gibt.