Iranische Staatsmedien berichteten am frühen Montagmorgen (Schweizer Zeit), dass die Rettungskräfte an der schwer zugänglichen Absturzstelle keine Überlebenden gefunden haben.
In der Nacht auf Montag vermeldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu zunächst, dass eine Drohne eine verdächtige Hitzequelle ausgemacht habe. Die Koordinaten und Aufnahmen der Stelle seien den iranischen Behörden übermittelt werden. Am frühen Montagmorgen berichtete die Nachrichtenagentur AP dann, dass die Rettungskräfte den Helikopter entdeckt hatten. Iranische Staatsmedien berichteten wenig später, dass keine Überlebenden gefunden worden seien. Eine offizielle Stellungnahme der Behörden steht noch aus.
Ein Video der staatlichen Nachrichtenagentur Irna zeigte die mutmassliche Absturzstelle an einem steilen Hang mitten im Wald. Die Rettungskräfte verschafften sich mit einer kleinen Kameradrohne einen Überblick. In einem Video beschrieben sie die Kabine des Hubschraubers als «völlig ausgebrannt».
Location of crash site of Pres. Raisi’s chopper determined: Sourcehttps://t.co/6mWrIRVVJj pic.twitter.com/sAkjeXgTeH
— IRNA News Agency (@IrnaEnglish) May 20, 2024
Der Chef des iranischen Roten Halbmonds, Pir-Hussein Kuliwand, sagt zuvor im Staatsfernsehen lediglich:
Nach dem Unfall suchten 65 Rettungsteams nach dem Unglücksort. Die Retter waren mit Spürhunden und Drohnen unterwegs.
Auf der Suche nach der Unglücksstelle hatten Retter zuvor angeblich Kontakt zu zwei Insassen herstellen können. In einem Interview des Staatsfernsehens sagte der Vizepräsident für Exekutivangelegenheiten, Mohsen Mansuri, dass mehrfach bereits mit der Besatzung Kontakt aufgenommen worden sei.
Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim berichtete später, dass der Helikopter ausfindig gemacht wurde. Man habe ein weiteres Signal vom Helikopter und von einem Handy eines der Insassen erhalten. Erst Stunden später konnte der Helikopter dann tatsächlich gefunden werden.
Location of President's Helicopter Accident Identified
— Tasnim News Agency (@Tasnimnews_EN) May 19, 2024
Military officials have pinpointed the location of the helicopter accident involving #Iran's President Ebrahim #Raisi in East Azerbaijan, raising hopes for a successful rescue.
"A signal was received a few minutes ago from… pic.twitter.com/AlojN1hExh
Was es mit dem angeblichen Kontakt zu den Insassen auf sich hatte, ist unklar. Am Sonntagabend wurde zunächst auch die Meldung verbreitet, dass der Helikopter gefunden worden sei. Das wurde vom Islamischen Roten Halbmond später dementiert.
Wie iranische Medien berichteten, liegt der Unglücksort in der Nähe von Jolfa – mehr als 600 Kilometer von der Hauptstadt Teheran entfernt, nahe der Grenze zu Aserbaidschan, wo Raisi auf Staatsbesuch war. Neben den Rettungsteams waren auch die iranischen Streitkräfte an der Suche beteiligt.
Strömender Regen und starker Wind erschwerten die Suche und das Vordringen in das Gebiet. Zudem war es zwischenzeitlich dunkel und in der Region soll es dichte Nebelschwaden gegeben haben. Die Absturzstelle befindet sich zudem in bergigem Gebiet. Die Route sei matschig und fern von Strassen, daher hätten die Retter vorwiegend zu Fuss suchen müssen.
Nach dem Unfall beteten zahlreiche Regierungsanhänger für Raisi. In dessen Heimatstadt Maschhad im Nordosten des Landes versammelten sich Dutzende Gläubige in dem zentralen Pilgerschrein, wie der staatliche Rundfunk am Sonntag berichtete. Auch in anderen Landesteilen, wie der religiösen Hochburg Ghom, strömten Anhänger in die Moscheen.
Anders sieht es in den sozialen Medien aus. Dort freuten sich zahlreiche Iranerinnen und Iraner über den Tod der beiden erzkonservativen, repressiven Politiker. Raisis Regierung steht für ein Regime, das äusserst konservative Werte vertritt, Menschen- und Bürgerrechte ignoriert und unterdrückt und zudem eine schwere Wirtschaftskrise verantwortet.
Der Führer der Islamischen Revolution, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, äusserte sich derweil besorgt über den Zwischenfall für den Präsidenten und seine Begleiter. Gleichzeitig solle das Volk aber keine Angst haben. Das Statement hat er abgegeben, bevor der Helikopter gefunden wurde.
Nach dem Tod von Raisi und Aussenminister Amirabdollahian bei dem Unglück droht der islamischen Republik eine innen- und aussenpolitische Krise. Insbesondere Amirabdollahian war als Aussenminister seit Beginn des Gaza-Kriegs verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt und hatte zahlreiche Reisen zu Verbündeten unternommen. Mangels Alternativen dürfte sich die Suche nach einem Nachfolger für Raisi schwierig gestalten. Experten rechnen damit, dass es im Land nun zu Machtkämpfen kommen könnte.
Irans Kabinett war angesichts des Helikopter-Unglücks zu einer Notsitzung zusammengekommen. Der erste Vizepräsident, Mohammed Mochber, leitete die Sitzung am späten Abend, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. Er leitete zunächst weitere Massnahmen zur Rettungsaktion ein. Mochber ist gemäss Protokoll im Todesfall Raisis Regierungschef ad interim. Laut der Verfassung müssen nun innerhalb von 50 Tagen Neuwahlen stattfinden.
Zahlreiche Staaten reagierten auf die Unfallberichte und boten zunächst ihre Hilfe an.
Die Europäische Kommission unterstützte den Iran bei der Suche nach der Unglücksstelle. Der für die EU-Krisenhilfe zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic schrieb am Sonntagabend auf der Plattform X, auf das iranische Hilfeersuchen hin werde der Kartenservice des Copernicus Notfalldiensts der Europäischen Kommission aktiviert. Der Dienst lieferte eigenen Angaben zufolge auf Abruf detaillierte Informationen für Notfallsituationen, indem er auf Satellitenbasis Geodaten und Bilder bereitstellt.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte dem Iran angesichts des Unfalls eines Helikopters mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi an Bord Hilfe angeboten. Die Türkei sei bereit, «jede notwendige Unterstützung zu leisten», schrieb Erdogan am Sonntag auf der Plattform X. «Wir sind zutiefst betrübt, dass der iranische Präsident, mein Bruder Ebrahim Raisi, und seine Delegation einen Hubschrauberunfall hatten», schrieb Erdogan weiter. Er sagte, er hoffe, so bald wie möglich gute Nachrichten zu erhalten. Die Türkei unterhält zum Iran gute Handelsbeziehungen.
Die russische Regierung hat Teheran angesichts des Unfalls Hilfe angeboten. Das teilte Aussenamtssprecherin Maria Sacharowa am Sonntag in Moskau mit, wie die Staatsagentur Tass berichtete. «Wir verfolgen aufmerksam die neuen Informationen über das Schicksal der Passagiere des dritten Hubschraubers, unter denen sich hochrangige iranische Beamte, darunter Präsident Raisi, befinden», sagte sie. «Wir hoffen aufrichtig, dass sie am Leben sind.» Russland sei bereit, jede Unterstützung bei der Suche nach dem Hubschrauber und der Untersuchung der Ursachen des Vorfalls zu leisten.
US-Präsident Joe Biden ist über die jüngsten Ereignisse im Iran informiert worden. Das teilte die Sprecherin des Weissen Hauses, Karine Jean-Pierre, den mit Biden reisenden Pressevertretern am Sonntagnachmittag (Ortszeit) kurz nach Landung der Regierungsmaschine Air Force One im US-Bundesstaat Michigan mit. Biden wollte dort an zwei Wahlkampfveranstaltungen teilnehmen.
Raisi war zuvor in der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan. Dort hatte er sich mit dem Präsidenten des Nachbarlandes Aserbaidschan, Ilham Aliyev, getroffen. Zusammen weihten sie einen Staudamm ein. Der Damm ist der dritte, den die beiden Länder am Fluss Aras gebaut haben.
Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran. Viele der Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.
Raisi wurde im August 2021 als neuer Präsident des Irans vereidigt. Der 63 Jahre alte, erzkonservative Kleriker wurde damit offiziell der Nachfolger von Hassan Ruhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Als Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl im Juni mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen.
Der 1960 in Maschad im Nordosten des Iran geborene Raisi gilt innerhalb des islamischen Systems als sehr einflussreich. Er pflegt auch ein enges Verhältnis zum obersten Führer Chamenei. Raisi war über drei Jahrzehnte in der Justizbehörde tätig, 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. Ihm wird nachgesagt, dass er in seiner früheren Funktion als Staatsanwalt für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sei.
Laut Verfassung war Raisi nur die Nummer zwei im Land, weil Chamenei das eigentliche Staatsoberhaupt ist und auch das letzte Wort in allen strategischen Belangen hat.
Mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und SDA.