Welcher Strommix soll in Zukunft die Energieversorgung der Schweiz sichern? Darüber entscheidet die Stimmbevölkerung am 9. Juni. Das Stromversorgungsgesetz, das an die Urne kommt, legt die Rahmenbedingungen für die Stromversorgung in allen Landesteilen fest.
Das Gesetz geniesst im Parlament eigentlich breite Zustimmung. Doch wie so oft gehen die SVP und die Umweltschützer auf die Barrikaden. Grund: Sie befürchten, dass die schöne Schweizer Natur durch Solarpanels und Windräder verunstaltet wird. Besonders unangenehm ist diese penetrante Ablehnung für UVEK-Vorsteher und SVP-Bundesrat Albert Rösti. Er wirbt – ob aufrichtig oder nicht – für das neue Gesetz.
Von der eigenen Partei hagelt es jedoch Kritik, denn die Mehrheit der SVP lehnt das Gesetz ab. So auch in der «Arena» am Freitagabend. Magdalena Martullo-Blocher, die Vizepräsidentin der SVP, bot Rösti ordentlich Paroli – für ein freundschaftliches Lächeln hier und dort reichte es jedoch immer.
Nebst Martullo-Blocher waren weitere Stromversorgungsgesetz-Gegner vor Ort:
Befürworter, die Bundesrat Rösti den Rücken stärkten, waren:
Vorab sei gesagt, welcher Ausruf die Diskussion während der gesamten eineinhalb Stunden dominierte:
Neben diesem Vorwurf sorgte besonders eine Frage für Diskussionen: Wird der Strom teurer oder billiger, wenn das Gesetz angenommen wird?
Der FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen meinte, dass eine Investition unumgehbar sei, man müsse das Stromnetz ohnehin verstärken.
Magdalena Martullo-Blocher war jedoch überzeugt, dass das neue Gesetz die Schweizer Stromkonsumenten nahezu in den Ruin treiben könnte. Die im Gesetz vorgesehenen Kraftwerkparks seien zu stark subventioniert. Man spreche derzeit von 100 Milliarden Franken Mehrkosten für den Netzzuschlag, also 10'000 Franken pro Person.
Sie sagte: «Das Beste ist, dass wir diese Kosten bezahlen, aber für unsere Versorgung ist nicht gesorgt. Die Kraftwerksbetriebe bekommen die Hälfte der Kosten zwar zurückerstattet …»
Dann ging ihre Stimme einige Oktaven höher und sie rief: «Aber sie sind frei in der Entscheidung, wohin sie den Strom verkaufen! Total frei! Sie können ihn ins Ausland verkaufen, sogar in einer Mangellage in der Schweiz!»
Man habe am Schluss gar nicht mehr Strom in der Schweiz, sondern er würde einfach teurer. Der billigere Strom würde ins Ausland verkauft – es sei unerhört, solche Subventionen einzuführen, ohne dass das Volk überhaupt vom Strom profitiere.
Der Moderator Sandro Brotz fragt Martullo-Blocher scherzhaft: «Sie würden dem Sozialismus sagen, oder?»
Sie rief: «Das ist noch schlimmer!» Schelmisch schielte Martullo-Blocher bei dieser Aussage zu Rösti rüber, dieser musste ebenfalls grinsen.
Der SP-Nationalrätin Nadine Masshardt war jedoch nicht zum Lachen zumute. «Ich weiss gar nicht, wo ich beginnen soll. Mit Verlaub, Frau Martullo, wir müssen über das sprechen, was in dem Gesetz steht. Was Sie sagen, steht aber leider nicht in diesem Gesetz.»
Es werde keine neue Abgabe eingeführt, der Netzzuschlag werde nicht erhöht, die Konsumenten müssten nicht mit höheren Kosten rechnen. Im Gegenteil: Sie würden von mehr Preisstabilität profitieren. Die Schweiz sei dank dieses Gesetzes weniger abhängig vom Ausland. Sie fügte nach ihrer Erklärung an:
Später in der Sendung sollte eine andere wichtige Frage im Zentrum stehen: Haben wir in der Schweiz genügend Strom, wenn wir dieses Gesetz annehmen?
Rösti wollte von Frau Martullo-Blocher und von der Umweltschützerin Vera Weber bei dieser essenziellen Frage wissen, wie sie gewährleisten wollen, dass die Schweiz in Zukunft genügend Strom hat und nicht in eine Mangellage gerät. Dies sei nämlich aktuell das grösste Risiko.
Er warf Weber vor, dass sie jegliche nachhaltige Projekte verhindern würde – sogar die Erhöhung von Staumauern, die bereits existieren würden.
Weber meinte daraufhin, dass man sich auf den Solarstrom und die Wasserkraft verlassen könne. Rösti schien am Ende mit seinem Latein. Sichtlich genervt sagte er zu Weber: «Wenn die Sonne nicht scheint, gibt es keinen Strom. Entschuldigen Sie, Frau Weber.»
Weber wollte sich gerade gegen Rösti verteidigen, als Martullo-Blocher wieder das Wort ergriff. Denn Martullo-Blocher – bekannt dafür, eher forsch zu sein – enttäuschte mit ihrer Performance auch in dieser «Arena» nicht. Sie dominierte die Diskussion. Mit ihrer hemdsärmeligen Art sorgte sie aber immer wieder für Lacher.
Gelegentlich hatte der Zuschauer gar das Gefühl, sie bekäme kaum Luft, weil sie während ihrer sehr, sehr langen Ausführungen schier nicht ein- oder ausatmete. Selbst als die Kamera nicht auf Martullo-Blocher gerichtet war, schnaufte sie in ihr Mikrofon. Als etwa der FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen seine Meinung kundtat, murmelte sie mehrmals: «Das stimmt einfach nicht.»
Gegen Ende der Sendung ging es darum, ob die Gemeinden und Kantone genügend Mitspracherecht bei der Planung neuer Projekte hätten. Martullo-Blocher meinte, schlussendlich hätte der Bund das letzte Wort.
In der gewohnten SVP-Polemik argumentierte sie: «Ich weiss nicht, was die in Bern theoretisch und grundsätzlich für Vorstellungen haben, aber die Auslegung in den Kantonen ist heute schon so.»
Brotz sagte: «Sie gehören aber auch zu denen in Bern.»
Martullo-Blocher entgegnete: «Leider!»
Jeder einzelne Gast in der Runde und das Publikum mussten lachen. Das Thema Stromversorgung ist zwar ernst, aber die «Arena» dazu war munter und gelegentlich – ja, sogar lustig.
...ein Super-GAU eines Atomkraftwerks. Wer eine Technologie unterstützt, die unser Land für Jahrzehnte unbewohnbar machen könnte, dem ist nicht zu helfen. Mal ganz abgesehen von der Abhängigkeit vom Ausland und dem ungelösten Strahlenmeer-Lager.
Gell, Herr Wasserfallen und Frau Martullo-Blocher.
Und auch Frau Weber. Denn wer den Ausbau der nachhaltigen Energien verhindert, muss sich nicht wundern, wenn wir wieder ein paar neue dampfelnde Kübel ins Gärtli gestellt kriegen.