Liebe Lotte
Ob Sie zu empfindlich sind, oder nicht, kann ich nicht sagen. Aber Ihre Gürtellinie sitzt schon bitzli hoch.
Ich denke eher, dass es daran liegt, dass man gerne ein perfektes Paar abgeben würde. So wie all die anderen Paare perfekt zu sein scheinen, von denen man umgeben ist. Aber ich kann Ihnen versichern, dass dem nicht so ist. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis, oder auch in meiner Praxis umhöre, dann klingt es bei den anderen auch nicht anders. Vielfach sogar eher noch schlimmer. Gewisse Paare gehen sich im Streit sogar im wahrsten Sinne des Wortes an die Gurgel. (Wie viele Paare bereit sind zu schauspielern, um vor den Mitmenschen als Super-Päärli durchzugehen, schreibe ich übrigens hier. Meistens putzen sich die am vulgärsten ab, die auf den Facebook-Fotos am breitesten zusammen strahlen.)
Auch ich bin jetzt ziemlich genau ein Jahr verheiratet. Und mein Mann und ich haben uns bei Weitem schon härtere Sachen an den Kopf geworfen. Ich habe seinen sogar schon mal abgewatscht; wenn ich auch nicht wirklich stolz drauf bin.
Streit gehört zu jeder Beziehung dazu. Aber es sollte trotzdem das Ziel sein, dass man gewisse Grenzen nicht überschreitet. Das hat mir kürzlich mein Vater gesagt, der sich wirklich oft und leidenschaftlich mit seiner Partnerin fetzt. Und das seit nunmehr fast 30 Jahren!
Ein Trauschein schützt uns Menschen nicht vor unsouveränen Aktionen. Aber er sollte uns wenigstens davor bewahren, nach jeder gleich seine 7 Sachen zu packen, und abzuhauen. Ich weiss ja nicht, welchem zuckerwattefarbenen Märli Sie noch nachhängen, aber ich will Sie hiermit feierlich im richtigen Leben willkommen heissen.
Tätärarä: So ist das Leben Baby. Sie haben einen Mann gewählt und ein Kind geschenkt bekommen. Gehen Sie mit beiden nachsichtig zu Gericht. Im Wissen darum, dass Sie vermutlich auch keine perfekte Prinzessin sind.
Viele Menschen denken, dass Streit und Zoff ein Zeichen dafür sind, dass man einfach noch nicht den richtigen Partner gefunden hat. Sie tingeln von Beziehung zu Beziehung, anstatt sich mal damit auseinanderzusetzen, dass es die ständige Symbiose nicht gibt. Die Kunst einer funktionierenden Beziehung ist es, auch solche Phasen zu überstehen. Immer gleich den Partner wechseln ist viel zu einfach und mit der Zeit auch furchtbar langweilig. Und mit einem Kind im Gepäck auch irgendwie verantwortungslos.
Alles Gute Ihnen. Und beste Grüsse.
Ihre Kafi.
P.S. (Und jetzt sag ich Ihnen noch was. Aber das muss unter uns bleiben! Paare, die nicht in ständiger Harmonie leben, ficken besser und häufiger!)