Ed ist ein Glücksfall: Er nimmt meine Freundin Lea, unsere Kollegin Patrizia und mich nicht einfach nur mit, er spielt auf dem Highway One, der sich der kalifornischen Pazifikküste entlangschlängelt, auch noch Fremdenführer für uns.
Der 60-Jährige erzählt von seiner Familie, die schon seit vielen Jahrzehnten in Kalifornien lebe und hier grosse Landflächen besitze. Einer seiner Vorfahren, Edwin Stanton, sei im Amerikanischen Bürgerkrieg gar Abraham Lincolns Kriegsminister gewesen. Wir sind erstaunt, sehen aber keinen Grund, an Eds Aussagen zu zweifeln. Auch als er uns von seiner Arbeit als Geologe erzählt, hören wir lange Zeit aufmerksam und interessiert zu.
Erst beim gemeinsamen Abendessen beginnen wir, Eds Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Der Grund ist ein Brief, den er der US-Regierung geschrieben hat. In dem Schreiben, das uns Ed zeigt, weist er darauf hin, dass er mit seinen Messungen eine Verschiebung der Erdplatten sowie eine Wanderung der Pole festgestellt habe.
Seine Schlussfolgerung: Der Klimawandel beziehungsweise die globale Erwärmung wird nicht von den Menschen verursacht, sondern von dieser Polwanderung. „Die US-Regierung verschweigt das bewusst, weil sie nicht will, dass das Volk in Panik gerät. Denn die Verschiebung der Pole lässt sich nicht aufhalten. Deshalb sagt man den Menschen, dass die globale Erwärmung von uns verursacht wird – und dass wir etwas dagegen tun können. Doch das ist Quatsch.“
Ich habe noch nie von der Polwanderung gehört. Eine kurze Google-Recherche zeigt aber, dass auch seriöse Institutionen und Untersuchungen bestätigen, dass sich die Pole verschieben und die Kontinente eines Tages in anderen Klimazonen liegen könnten. Dass die globale Erwärmung in erster Linie vom Mensch verursacht ist, wird dadurch aber nicht in Frage gestellt. Die Tatsache, dass bereits zahlreiche Zeitungen und Wissenschaftsmagazine über die Polwanderung berichtet haben, beweist zudem, dass diese Informationen alles andere als geheim sind – und dass Ed ein typischer Verschwörungstheoretiker ist.
Damit ist der Geologe in bester Gesellschaft. Ich bin in den zwei Monaten in den USA so vielen Verschwörungstheoretikern begegnet wie nirgends sonst: In einer Bar treffe ich auf zwei Typen, die davon überzeugt sind, die westlichen Industrieländer würden gezielt islamisiert. Für meinen Fahrer Joe steht fest, dass Obama Muslim ist und nicht in den USA geboren wurde. John erzählt mir, dass alle früheren Mitarbeiter von Hillary Clinton, die sich negativ über sie geäussert haben, kurze Zeit später auf mysteriöse Weise umgekommen seien. Und Lehrer Kim, der uns nach Santa Barbara fährt, hat keinen Zweifel daran, dass hinter der Ermordung von John F. Kennedy CIA, FBI und Secret Service steckten.
Ich halte nicht alle diese Verschwörungstheorien für völlig absurd. Die offizielle Version zum Kennedy-Attentat lässt durchaus Fragen offen. Bei allen Verschwörungstheorien gibt es aber noch viel mehr offene Fragen. Und genau das ist der spannende Punkt: Verschwörungstheoretiker verstehen es perfekt, die offizielle Geschichtsschreibung in Frage zu stellen. Die alternative Version übernehmen sie aber völlig unkritisch.
Doch wieso gibt es ausgerechnet in den USA so viele Verschwöerungstheoretiker? Ist es, weil so viele Amerikaner ihre Regierung als Feind betrachten? Liegt es daran, dass hier mehr Menschen etwas Besonderes sein wollen und ihnen Verschwörungstheorien genau dieses Gefühl geben? Schliesslich sind sie so die einzigen, welche die „Wahrheit“ kennen, während alle anderen blind und unwissend durchs Leben gehen.
Ich kenne die Antwort nicht. Ich weiss nur, dass ich meist keine grosse Lust habe, mit Verschwörungstheoretikern über ihre Ansichten zu diskutieren. Es führt zu nichts. Als uns Ed auf dem Weg zum Motel aber auch noch weismachen will, dass Hitler in Wirklichkeit gar nie Selbstmord begangen habe und immer noch lebe, kann ich mir einen Kommentar nicht verkneifen. Lachend sage ich ihm: „Hitler führt also irgendwo ein gemütliches Leben – als 127-Jähriger. Wow, das ist beeindruckend!“
Ed findet es nicht lustig. Und auch wir sind etwas traurig: Denn nach dem gemeinsamen Abendessen zweifeln wir an allem, was uns Ed am heutigen Tag erzählt hat. Selbst an seine spannende Familiengeschichte und den Vorfahren in Lincolns Diensten mögen wir nicht mehr so richtig glauben.
Habt ihr gewusst das es unter Zürich geheime Tunnels gibt die die Juden benutzen um die Staus zu umfahren?
Haben mir kürzlich 2 Türken erklärt.
Auch kenne ich 3 Schweizer die überzeugte chemtrail Anhänger sind und die kennen sich nichtmal.
Oder an die Geistergeschichten, die uns ein Nachbar vom Ober-Alpetli erzählte, als er ausnahmsweise mal zu Besuch kam auf das Unter-Alpetli.
Als er vom "Enziloch" erzählte, wo nie ein pfeifender Vogel zu hören ist, seit dem Fluch, hört man das heftige Rauschen eines Föhnsturms in den Baumwipfeln, als würde eine verdammte Seele Antwort geben...
Aber die Ähnlichkeit zu Kriegsminister Stanton und Ed ist doch frappant: ;)
https://en.wikipedia.org/wiki/Edwin_Stanton
Scheint aber sonst ein netter Typ zu sein.
Ich wünsche auch weiterhin eine schöne Reise mit Ihrer Freundin und ihrer Kollegin in Los Angeles. :)
Hier noch ein Song für alle Verschwörungstheoretiker: ;)