Illustration: FH SCHWEIZ/Flavia Korner
Work in progress
Die Schweiz bietet eigentlich beste Voraussetzungen für Firmengründer, liegt international aber dennoch eher im Mittelfeld bei der Gründungsquote. Dabei wäre es gar nicht so schwierig. Es gilt einfach einige goldene Regeln zu beachten.
09.03.2021, 13:1030.07.2021, 10:17
Sein eigener Chef sein, alles selber entscheiden, unabhängig sein. Jeder von uns hatte schon einmal den Traum der eigenen Firma. Riskant? Ja. Dennoch kann das so schwer nicht sein. Denn gemäss dem Global Entrepreneurship Monitor (GEM) 2019 hat in der Schweiz knapp jede zehnte Person zwischen 18 und 64 Jahren bereits mindestens einmal im Leben eine Firma gegründet.
Auch der Unternehmensoptimierer und ehemalige Dozent der Hochschule Luzern Bruno Aregger vertritt die These, dass es zum Unternehmersein kein besonderes Händchen benötigt: «Ich glaube nicht, dass es das Unternehmergen gibt.» Im Gegenteil: Jede und jeder könne im Prinzip Unternehmerin oder Unternehmer werden. Gemäss Aregger bedarf es dazu als Grundlage vor allem zwei Dinge: Leidenschaft und Durchhaltewille.
Unternehmensoptimierer Bruno Aregger.Bild: zvg
«Wer die eigene Leidenschaft entdeckt, und damit auch die eigene Stärke, hat auch das Produkt, welches nicht kopiert werden kann. Denn jede Person und ihre Arbeit ist einzigartig.» Der Durchhaltewille sei wichtig, um die nötige Ausdauer an den Tag zu legen: «Oft kommen aus dem Umfeld Vorbehalte oder zumindest wenig Unterstützung.» Andri Silberschmidt, Nationalrat und selber erfolgreich als Teilzeitunternehmer in der Gastrobranche unterwegs, ergänzt: «Erst einmal muss man machen. Zu Beginn sollte man nicht delegieren, sondern die wichtigen Dinge an die Hand nehmen.»
Natürlich bedarf es dazu auch gute Rahmenbedingungen, was wir hier in der Schweiz zweifellos geniessen. Auch deshalb sieht sich die Schweiz gerne als Land der Unternehmer. Das stimmt allerdings nur bedingt: Denn mit der Gründungsquote des Global Entrepreneurship Monitor (GEM) von 9,8 Prozent liegt die Schweiz zwar im soliden Mittelfeld unter den Industrienationen und beispielsweise vor Deutschland.
Doch gerade in der englischsprachigen Welt, insbesondere Nordamerika, liegt die Quote markant höher. Dabei könnten die Bedingungen für Firmengründungen hierzulande nicht besser sein: Der National Entrepreneurship Context Index (NECI) gibt Aufschluss über die Leichtigkeit, ein Unternehmen zu gründen und zu entwickeln. 2019 lag die Schweiz in dieser Kategorie an der Weltspitze, knapp vor den Niederlanden und Katar.
Warum werden also nicht mehr Leute hierzulande zu Unternehmern? Aregger sieht historische und kulturelle Gründe: «Der Schweizer ist nicht unbedingt der Schnellste. Das hat sicher Vorteile. In Sachen Unternehmensgründung aber ist das eher hinderlich.» Schweizer würden zudem eher zu Sicherheit neigen, was sich mit dem Risiko einer Unternehmensgründung eben nicht gut verträgt. «Die Schweizer scheuen sich vor Risiko und erst recht vor dem Scheitern. Kein Wunder: Wenn dir das hier passiert, wird das sogar noch auf deinem Grabstein stehen.»
Unternehmer und Politiker Andri Silberschmidt.Bild: keystone
Aregger zieht den Vergleich zum Unternehmergeist in den USA: «Wenn man dort umfällt und wieder aufsteht, wird man für das Aufstehen gefeiert.» Dort werde man auch eher ermuntert, seinen Traum zu verwirklichen. Aregger würde sich wünschen, dass dieser Geist auch hierzulande mehr herrscht, bereits ab der Schule.
Contentpartnerschaft mit FH Schweiz
Die Beiträge dieses Blogs stammen vom Dachverband der Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen (
FH Schweiz). Darin geht es um Arbeit, Karriere sowie Aus- und Weiterbildung. Es handelt sich nicht um bezahlten Content. (red)
Andri Silberschmidt vertritt diesen Geist zweifelsfrei. Von seiner Gastrokette Kaisin kennt er auch die Situation bestens, wenn etwas nicht wie vorhergesehen klappt. «Wir haben zum Beispiel letztes Jahr Anfang März die Filiale in Bern eröffnet und mussten zwei Wochen später wegen Corona schliessen.» Auch allgemein hätten die Jungunternehmer unterschätzt, was es heisse, in einer anderen Stadt eine Filiale zu eröffnen. «Die Zielgruppe unterscheidet sich bereits von jener in Zürich, da hätten wir vielleicht zuerst besser untersuchen und mehr ins Marketing investieren sollen.» Silberschmidt sieht dies als wertvolle Erfahrungen.
Doch was braucht es noch, damit die eigene Geschäftsidee zum Erfolg wird? Nachfolgend eine Anleitung:
- Suche dir einen Mentor: Eine Person, die selber bereits alle Erfahrungen mit Firmengründungen gemacht hat und am besten auch schon krachend gescheitert ist. Für Aregger ist ein Mentor an der Seite einer der wichtigsten Faktoren: «Diese Person hat idealerweise alles erreicht, was du erreichen möchtest», erklärt er. Das könne vor vielen Fehlentscheidungen bewahren, den Tunnelblick vermeiden und damit Zeit sparen. Viel Zeit. Aregger ist überzeugt, dass ein Mentor die Entwicklung des Unternehmens um den Faktor drei beschleunigt.
- Lebe eine offene Fehlerkultur: «Wichtig ist, dass man über Fehler redet und dadurch andere ermuntert, Dinge ohne Angst anzupacken», sagt Andri Silberschmidt. Er mag den Begriff Fehler nicht so sehr. «Oft kommt etwas einfach nicht so, wie man es erwartet hat. Da braucht es einen Plan B oder zumindest eine gewisse Marge, die für Fehler reserviert ist.» Bei einem (jungen) Unternehmen funktioniert nie alles nach Plan.
- Folge deiner Leidenschaft: Ein Unternehmen muss eine Herzensangelegenheit sein, die man mit voller Leidenschaft ausübt. Die Motivation soll nicht materieller Natur sein. Deshalb:
- Geld darf nicht im Vordergrund stehen: «Wer ein Unternehmen gründet, um reich zu werden, ist meist zum Scheitern verurteilt», so Aregger. Ein Fehler ist auch, möglichst mit vielen Mitteln starten zu wollen. Wenn möglich keinen Kredit aufnehmen und mit eigenen Mitteln klein beginnen. «Viele zahlen sich schon zu Beginn einen zu hohen Lohn aus.» Was zum vierten Punkt führt:
- Keep it simple: «Wenn ich mein Produkt erst perfektioniere und danach auf den Markt gehe, habe ich sehr viel investiert ohne zu wissen, ob überhaupt eine Nachfrage danach besteht», erklärt Aregger. Deshalb rät er, möglichst früh auf den Markt zu gehen, auch wenn das Produkt und der Businessplan noch nicht ausgereift sind. Auch Silberschmidt sagt: «Nicht ewig planen, sondern so früh wie möglich mit einem Prototyp oder Popup rausgehen.» Danach kann immer noch anhand der Rückmeldungen verbessert werden. Diese erste Aufbauphase wenn möglich auch neben dem bestehenden Job leisten. Aregger rät zudem, Investoren erst dann zu suchen, wenn die Sache läuft und weitere Mittel nötig sind für den Aufbau. Dann kommt auch der Zeitpunkt, den Job zu künden. «Nun gilt aber: Voll rein, mit aller Kraft.»
- Bewege dich im richtigen Umfeld: «Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Epigenetik, also das Umfeld, wichtiger ist als die Genetik, also die Veranlagung», so Aregger. Wer sich in einem Umfeld bewegt, das von Unternehmertum geprägt ist, wird viel eher Erfolg haben. Ganz allgemein ist die Netzwerkpflege und das Knüpfen wichtiger Kontakte essentiell.
- Spezialisierung: Definiere eine klare Zielgruppe, die nicht zu gross ist. Diese kann später aufgrund der Kundennachfrage immer noch ausgedehnt werden.
Wie hoch ist dein Lohn?
Wie viel verdienst du? Und welche Kompetenzen glaubst du werden morgen auf dem Arbeitsmarkt gefragt sein? Alle zwei Jahre erhebt FH Schweiz, der Dachverband der Absolventen von Fachhochschulen, ihre
Lohnstudie. Dieses Jahr wird sie um Fragen der künftigen Kompetenzen erweitert. Falls du an einer Fachhochschule studiert hast, dann nimm teil – die Kompetenzstudie steht übrigens allen offen. Als Dank erhältst du ein Gratis-Login zu den Resultaten und kannst beim Wettbewerb unter anderem zwei Nächte im Luxushotel gewinnen.
Hier gehts zur Studie
Viele Unternehmen überleben die ersten fünf Jahre nicht. Mit den oben beschriebenen Tipps wird die Chance erhöht, dass man nicht dazu gehört. Hat der Start also geklappt und es geht darum, sich im Markt zu etablieren?
Dann vermeide diese Fehler:
- Alles selber machen wollen: Aregger: «Ich unterscheide zwischen Unternehmer und Selbständigem. Der Selbständige arbeitet selber und ständig. Alles geht über sein Pult und wenn er nicht mehr da ist, bricht das Unternehmen zusammen.» Ein Unternehmer könne delegieren und auch wichtige Arbeit abgeben. Silberschmidt: «Ich hätte alleine nie eine Restaurantkette gründen können, da mir das Fachwissen fehlt. Man muss wissen was man kann und nicht kann.» Dazu gehört, dass man weiss, wie man Leute richtig einstellt:
- Kopien von mir selber einstellen: Gemäss Aregger ein häufiger Fehler. Unternehmer stellen Personen ein, die ihnen möglichst ähnlich sind. «Dabei soll man genau das Gegenteil tun». Es geht darum zu sehen, was man selber nicht und kann und dafür geeignete Angestellte oder Partner finden. So ergänzt man sich ideal und bringt das Unternehmen weiter.
- Falsch verkaufen: Rede nicht über dein Produkt, technische Details oder über den Preis, sondern stelle das Problem des Kunden in den Vordergrund und deine Hilfe. «So spricht man das limbische System im Hirnzentrum an, wo unter anderem die Emotionen gesteuert werden.» Damit erreicht man den Kunden auf der persönlichen Ebene und wirkt nicht wie ein einfacher Verkäufer.
Doch bei allen guten Tipps: ist gerade jetzt während der Corona-Krise eine gute Zeit, um ein Unternehmen zu gründen? Wenn man einige stark betroffene Branchen meidet, dann durchaus. Aregger: «Die Krise wird irgendwann vorbei sein und die Leute werden genug haben vom Stubenarrest. Sie wollen raus und sich etwas Gutes tun, konsumieren.» Insofern gilt hier wie bei Anlagen: antizyklisch vorgehen. Auch Silberschmidt sagt: «Definitiv zuschlagen. In fünf bis zehn Jahren wird man viele erfolgreiche Firmen sehen, die in den Jahren 2020 oder 2021 gegründet wurden.» Es herrsche «kreatives Chaos» mit vielen Veränderungen, aus welchen sich Chancen ergeben würden. Also ganz nach dem Motto: wer jetzt in der Krise gründet, kann vom Aufschwung profitieren.
Cambridge Analytica: Der Skandal einfach erklärt
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Winterzeit ist Einbruchszeit. Wer versichert ist, bekommt den finanziellen Schaden zumindest teilweise ersetzt. Bei den möglichen psychischen Folgen ist die Sache komplizierter.
Seit der coronabedingten Baisse steigt die Zahl der Einbruchdiebstähle wieder kräftig an. Waren die Einbrecher erfolgreich, ersetzt die Hausratversicherung nicht nur den Wert der gestohlenen Dinge, sondern kann auch Reparaturkosten übernehmen. Wie so oft liegt aber der Teufel im Detail.
Erster Kommentar drunter: Können wir eine Geschlechterdebatte draus machen?
omg.
Und den kommenden Gewinnern meines Bestsellers, schon heute viel Freude und Erfolg!