971’000’000 Suchergebnisse spuckt Google zum Suchbegriff Innovation aus. Jeder schlägt mit dem Begriff um sich. In immer mehr Stellenausschreibungen wird verlangt, innovativ zu sein – ob als Pflegefachkraft, Ingenieur, Architektin. Es gibt sogar Weiterbildungen an Fachhochschulen mit dem Titel «Innovation». Aber: Was bedeutet «innovativ sein» überhaupt? Und wie bleibst du inspiriert, wenn du im öden Arbeitstrott gefangen bist?
Sunnie J. Groeneveld hat mehr als einen Tipp auf Lager. Die 33-jährige Unternehmerin, Verwaltungsrätin und Studiengangleiterin des EMBA Digital Leadership an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema. In ihrem Buch «Inspired at Work» hat sie 66 Ideen für mehr Engagement und Innovation in Unternehmen veröffentlicht.
Sunnie, deine Firma Inspire 925 verspricht «Inspiration im Arbeitsleben der Kunden zu entfalten». Gelingt euch das?
Sunnie J. Groeneveld: Ich habe die Beratungsfirma vor acht Jahren gegründet und wir stellen bei jedem unserer Kundenprojekte diesen Anspruch an uns selbst. Uns ist wichtig, dass wir nicht nur die Ziele des Kunden erreichen, sondern ebenso, dass wir die Zusammenarbeit möglichst inspirierend gestalten.
Was bedeutet für dich Innovation?
Innovation ist, wenn eine neue Idee Erfolg am Markt hat. Damit das gelingt, muss die Idee einen Mehrwert bieten und für andere zugänglich gemacht werden.
Das tönt ziemlich abstrakt. Wie schaffe ich es, innovativ zu sein?
Dazu brauchst du einerseits ein gewisses Mass an Kreativität, andererseits ein Arbeitsumfeld, wo du dich wohl genug fühlst, um alle deine Ideen offen auf den Tisch zu legen. Gerade auch die «riskanten» und «kuriosen» Ideen, die schiefgehen können. Fehlschläge sind im Kontext der Innovationen unumgänglich und sollten primär als Lerngelegenheiten verstanden sowie genutzt werden. Innovation entsteht durch Wiederholungen. Auf dem Weg zum Erfolg probiert man Dinge aus, die nicht klappen. Paypal-Mitgründer Max Levchin brachte dies auf den Punkt: «Das erste Unternehmen, das ich gegründet habe, ist mit einem grossen Knall gescheitert. Das zweite ein bisschen weniger schlimm. Das dritte ist wieder anständig gescheitert. Das vierte Unternehmen überlebte bereits. Das fünfte war dann PayPal». Auch James Dyson hat 5216 Prototypen gebaut, bis sein Vakuum-Staubsauger am Markt funktionierte. Das Wichtige ist, dass man aus jedem Irrweg und jeder Sackgasse etwas lernt. Das bringt einen auf dem Weg zur erfolgreichen Innovation vorwärts.
Aber auch wenn mein Unternehmen eine förderliche Kultur hat, oft stellt sich irgendwann eine gewisse Routine ein…
Das stimmt, aber ich sehe in der Routine durchaus Chancen. Routine bedeutet, man hat etwas so gut verstanden, dass sich ein Automatismus einstellt. Dieses tiefe Verständnis der Arbeit ist wertvoll. Erst so siehst du, was noch nicht reibungslos funktioniert. Mehr noch, du verstehst das Problem im Detail. Das wiederum erlaubt dir, nach innovativen Lösungen zu suchen.
Das tun aber dann wohl die wenigsten.
Mag sein, dass sich manche damit zufriedengeben, sich nur über Probleme zu beklagen. Viel spannender ist es doch, wenn du Probleme als Einladung siehst, innovativ zu werden. Es gilt also die Routine zu schätzen und gleichzeitig mit einem wachen, kritischen und neugierigen Geist der Arbeit nachzugehen. So erkennst du Innovationspotenziale in der Routine. Probleme sind oft verborgene Innovationschancen – man muss sie jedoch selbst packen.
Manche Vorgesetzten wollen nichts von Schwierigkeiten hören. Sie wollen, dass die Arbeit effizient gemacht wird.
Und deswegen sind ja auch nicht alle Firmen innovativ. Die Unternehmenskultur, die stark durch die Führungskräfte geprägt wird, ist der wichtigste Erfolgsfaktor hinsichtlich Innovation. In nur fünf Sekunden kann eine Führungskraft Innovationen unterbinden oder fördern. Blockt sie alle Diskussionen rund um Probleme und damit verbundene Lösungsansätze ab, erstickt sie die Innovation im Keim. Hat sie ein offenes Ohr, fordert Lösungsvorschläge und bindet das Team ein, schafft sie einen Nährboden für Innovationen. Mit dem Resultat, dass die Firma langfristig erfolgreicher ist, als wenn sie stets in alten Prozessen verharrt.
Heisst das, Chefs und Chefinnen sollen ihre Mitarbeitenden auffordern, zu reklamieren?
Ja, aber natürlich konstruktiv, das heisst mit Lösungsansätzen. Es überfordert uns, wenn die Chefin sagt: «Bringe mir Ideen». Sagt sie jedoch: «Erkläre mir deine Probleme», weiss wohl jeder etwas zu berichten. Sucht man dann nach Lösungen, kommen die Inspirationen eher. Es ist natürlich wichtig, zu überlegen, in welche Probleme man Zeit, Energie und Ressourcen investieren möchte. Sonst verliert man sich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie gesagt, die Fehlerkultur. Wenn es der Führungskraft gelingt, dass die Mitarbeitenden Fehler offen kommunizieren, hat sie den Grundbaustein gelegt, um aus einem guten Team ein innovatives zu machen.