Vom Verfassungsschutzbeauftragten mit arabischen Spamfollowern bis hin zu AfD-Unterstützerinnen in jedem kleinen EU-Land. Bei exklusiven Recherchen zu gross angelegten Twitter-Tricksereien bei der deutschen Partei «Alternative für Deutschland», kurz AfD, sind Journalisten des watson-Medienpartners t-online.de auf absurde Fälle gestossen.
Unter anderen Voraussetzungen angelegte und hochgezüchtete Twitter-Accounts erhielten plötzlich eine neue Bestimmung. Hier ist eine Liste der kuriosesten und fragwürdigsten Fälle:
Bei einigen «Initiativen» wird bei den Umbenennungen deutlich, dass sie Teil des Täuschungsnetzwerks sind: Der Account @Kinderrechtler hiess früher @Ich_waehle_AfD, @Wir_waehlen_AfD und @I_follow_uback.
Namen, die entweder nicht ernst genommen werden oder eben nicht ehrenvolle Motive vermitteln. Aus @we_follow_uback würde später @FuerOpferschutz.
@GegenKinderehen entstand ursprünglich offenbar aus Verärgerung über einen Anti-AfD-Satire-Account. Im März 2016 war er als @boehmermannwars angelegt worden, als sich das Netz und Medien fragten, wer hinter dem Account @AfDBremenNord steckt.
Der Fall zeigt allerdings, dass auch AfD-Gegner mit AfD-Adressen tricksen und das Reservieren von Adressen sinnvoll sein kann.
Zum Konzert nach dem Tötungsdelikt an Daniel H. in Chemnitz wurde ein Konto in @_WIRsindmehr umbenannt. «Wir sind mehr» war das Motto des Konzerts mit unter anderem den Toten Hosen und Feine Sahne Fischfilet.
Dieser Account war zuvor unter anderem als @NRW_JA der Kanal der Jungen Alternative NRW. Als @_Wirsindmehr trug der Account die Beschreibung «Nicht mit Linksextremen Paktierende».
Das ist ziemlich genau die ungewöhnliche Formulierung, die t-online.de bei der Recherche erneut begegnet. Magnus B., der nach Angaben mehrerer AfD-Politiker ihre Accounts betreute, beschrieb sich in seiner Antwort an t-online.de, er sei kein «mit Extremen Paktierender».
In dem Account @NRW_JA wurde die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner als Hoffnungsträgerin präsentiert – weil ganz alte Tweets nicht gelöscht waren.
Der Account war auch einmal als JungesJUwel mit «Junge Union»-Kopf genutzt worden, hatte da aber schon AfD-Accounts retweetet.
#AneurerSeite war das DFB-Motto zur Fussball-WM 2014. Ruckzuck gab es einen Twitter-Account @An_Eurer_Seite. In einem zugehörigen Blog wurde als Motto ausgegeben: «Fussball-Fankultur ist Liebe und Warmherzigkeit, nicht Kälte und Hass. Deshalb: Pegida statt Nopegida!»
Heute heisst er @AfDwirkt. Zwischenzeitlich wurde er als @FreeKolja dem Publizisten @KoljaBonke angeboten, der von Twitter gesperrt worden ist. Aus @_Die_Mannschaft wurde @Jetztgilts, ein Account, der zur Hessenwahl aktiv war.
Dr. Roland Hartwig ist der Vorsitzende des Arbeitskreises der AfD zum Umgang mit dem Verfassungsschutz und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Er war zuvor der Chefsyndikus des Weltkonzerns Bayer und für Compliance zuständig. Sein Twitter-Account hiess aber früher i_followback__, hat über Folgen-gegen-Folgen-Aktionen viele arabische und südamerikanische Spamfollower. Hartwig findet sich in Listen von «Twitter-Promotoren». Er beantwortete eine Anfrage nicht.
Martin Reichardt ist Landesvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt. Sein Account hat den Namen BerndLucke_AfD. Am 19. Februar 2015 war der @BerndLucke_AfD-Account des echten Lucke in @BerndLucke umbenannt und ein neuer Account mit dem Namen angelegt worden. Dieser Account wurde später zum Twitter-Konto von Reichardt.
Als unter anderem die AfD-Abgeordneten Udo Hemmelgarn und Thomas Röckemann zu einer viel kritisierten Reise in Syrien waren, begleitete das ein Account @HilfefuerSyrien, vorgeblich von einem Syrer. Dort hiess es, er habe die «private Syrienreise» zunächst skeptisch verfolgt, sei «aber positiv überrascht von deren humanitärem Einsatz für meine Heimat». Zuvor hiess der Account @ProHuppenkothen, zur Unterstützung einer TV-Moderatorin aus Mexiko.
Rund um das Thema Juden wurden zahlreiche Accounts angelegt und umbenannt. Aus @Rockerinnen wurden die @AfD_Juden, zwischendurch hiess der Account noch @AfDHelmstedt. Umgekehrt wurde aus @Gruene_Juedin der «in den Niederlanden lebende Deutsche» @JorisJeroen, der «in Deutschland zur Europawahl 2019 wahlberechtigt ist und die @AfD unterstützt».
Der offizielle Account der Bundesvereinigung Juden in der AfD @inJAfD ist unverdächtig. Dafür hat der Vize-Vorsitzende Wolfgang Fuhl ein Konto, das zuvor @GminderAfD hiess – für die Bundestagsabgeordnete Franziska Gminder.
@Lettinnen behauptete, Gemeinschaftsaccount von in Köln studierenden lettischen Unterstützerinnen der @AfD zu sein. Vorher hiess der Account @AfD_Fraktion_K.
Unter den zahlreichen Accounts zum Mädchenkongress war ein Konto @Saechsinnen. Die vermeintlichen Sächsinnen gaben allerdings im Profil noch an, in Augsburg zu sitzen und verlinkten die Facebook-Seite der AfD Bayern.
Verwendete Quellen: