Die Gestalt am Eingang schaut grimmig aus. Mit Brustpanzer und Helm wagt sich ein Vertreter des D.U.P. – Departments of Unified Protection, die ankommenden Journalisten zu kontrollieren. Ein Blick in die Tasche, die Warnlampe wechselt auf Grün, und man ist durch.
Im Vorfeld zum Launch von «Infamous: Second Son», dem ersten grossen PS4-Titel des Jahres, macht Sony Computer Entertainment Stimmung und das mit Erfolg: Die Vorbestellungen des dritten «Infamous»-Kapitels haben in Grossbritannien die von Entwickler Naughty Dogs gefeiertem Survival-Game «The Last of Us» übertroffen.
«Diese Stadt ist wie ein Flughafen», erklärt Game-Director Nate Fox an der Präsentation in München. «Und wir alle wissen wie unangenehm diese totale Überwachung ist.» Gegen diesen Polizeistaat in Seattle, der Heimatstadt des Entwicklerstudios Sucker, kämpft der neue Game-Protagonist Delsin, eine auf den ersten Blick nicht sonderlich gewinnende Figur, um nicht zu sagen ein Ohrfeigengesicht. Punch
Doch Delsin muss auch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, sondern in die Fussstapfen seiner beiden berüchtigten Vorgänger steigen und vor allem den hohen Erwartungen der mit Spielen nicht gerade gesegneten PS4-Käuferschaft gerecht werden. Vom Ansatz her ist «Infamous: Second Son» wiederum eine Superheldengeschichte, die dem Spieler die Wahl offen lässt, fein oder ein Schwein zu sein. «Die Entscheidungen ziehen im Spielverlauf Konsequenzen nach sich», sagt Fox.
Auf das rekonstruierte Seattle ist das zu Sony gehörende Studio besonders stolz: «Es ist eine echte Stadt, und das vermittelt eine besondere Glaubwürdigkeit», findet Ken Schramm, Brand Development Director bei Sucker Punch. Um sich einen Weg durch die Häuserschluchten um die Space Needle zu bahnen, stehen Delsin verschiedene Fähigkeiten zur Verfügung. An der Demo waren aber bloss zwei freigeschaltet: Rauch und Neon. «Rauch eignet sich besser für Nahkampfsituationen, während Neon Angriffe aus der Ferne ermöglicht», sagt Nate Fox. Um zu diesen Kräften zu kommen, muss sich Delsin aufladen an Neonleuchtschriften oder eben Kaminen oder rauchenden Ruinen von Autos, die er zuvor verschrottet hat. Da immer nur eine Fähigkeit zur Verfügung steht, kommt ein taktisches Element in der Vorbereitung der Kämpfe zum Zug, das im weiteren Verlauf der Story Spieltiefe verleihen dürfte.
Auf einer visuellen Ebene überzeugte der erste Eindruck von «Infamous: Second Son». Die Steuerung ist phasenweise etwas gewöhnungsbedürftig, besonders wenn man im Neon-Modus praktisch mit Lichtgeschwindigkeit durch die Gegend rast. Von der Story wurden nur Fragmente verraten, wie zum Beispiel, dass Delsin sich schwer tut, aus dem Schatten seines älteren Bruders zu treten. Er ist der Titel gebende «Second Son». Doch bei diesem spätpubertären Schritt helfen dem 24-jährigen Helden die neu gewonnen Superkräfte. Befürchtungen, dass «Second Son» in die Niedrigungen einer Rosamunde-Pilcher-Romanze abgleitet, muss man aber keine haben. Für Sucker Punch steht klar die Action im Vordergrund und wie Ken Schramm sagte: «Mit Superkräften kann man grosse Dinge machen. Sie schauen cool aus und fühlen sich cool an und sind nicht Teil der realen Welt.» Eigentlich schade.