Mit «Left 4 Dead» haben sie sich einen Namen gemacht. Das Turtle Rock Studio hat mit dem Zombie-Game das Coop-Konzept erfolgreich umgekrempelt. Mit «Evolve» versuchen sie nun, die Formel weiterzuentwickeln. Statt gegen eine Horde hirnloser Untoter tritt man im neusten Spiel zu viert gegen ein einziges Monster an. Das kann sich in drei Evolutionsstufen zu einer riesigen tödlichen Bestie entwickeln. Drei Stufen bin auch ich beim Spielen durchlaufen. Allerdings umgekehrt.
Das offensichtliche gleich vorneweg: «Evolve» sieht dank dem Cryengine-Grafikmotor («Crysis») hinreissend aus. Die Levels sind geräumig, mit dichter Vegetation und die Monster und Jäger besitzen das richtige Mass an Style.
Den Einzelspieler-Modus kann man knicken. Am meisten Spass macht «Evolve», wenn das Monster und die Jäger von Menschen kontrolliert werden. In verschiedenen Arenen versuchen sich die beiden Parteien das Licht auszuknipsen. Die vier Jäger, bestehend aus Sanitäter (Medic), Ballerjunge (Assault), Unterstützer (Support) und Fallensteller (Trapper), versuchen, gemeinsam das Monster zu stellen, bevor es zu gross wird. Das Monster wiederum ist angehalten, sich erst durch die Fauna zu fressen, um die nächsten Evolutionsstufen zu erreichen, bevor es sich den Verfolgern stellt.
Die rasanten Matches machen mächtig Laune. Die vier Klassen ergänzen sich perfekt. Nur wenn man zusammenspielt, hat man eine Überlebenschance. Als Monster fühlt man sich dagegen von Anfang an gehetzt. Wenn man zum wiederholten Male eingekerkert wird, mit letzter Kraft entrinnt und danach endlich Stufe drei erreicht, geniesst man es so richtig, die schwächlichen Menschlein niederzumachen.
Nach jedem Match erhält man Erfahrungspunkte und kann die Figuren aufleveln. Von jeder Klasse gibt es drei Versionen, die sich spielerisch unterscheiden. Ebenso wie es verschiedene Monster gibt, die sich recht unterschiedlich spielen. Grossartig: Spitzen-Grafik, hitzige Kämpfe und unverbrauchtes Gameplay.
Nach ein paar Tagen mit «Evolve» ertappe ich mich, wie ich nach Feierabend erst eine Runde «World of Tanks» spiele, statt das lang herbeigesehnte Monster-Game, das endlich auf meiner Festplatte ruht. Das Spiel hat zwar nicht seinen Reiz verloren, aber bereits frage ich mich, wie sieht es in einem Monat aus? Sind die Partien dann immer noch spannend, oder verläuft jede Runde in gewohnten Bahnen, weil Gamer die optimale Spielweise gefunden haben? Eine Mod-Funktion wie bei «Left 4 Dead» gibt es bisher nicht. Somit bleiben Spieler-generierte Inhalte weg. Da muss Turtle Rock selber genug neue Levels und Monster nachreichen.
Zwar habe ich mich bereits an kostenpflichtige Zusatzinhalte gewöhnt, aber «Evolve» schiesst den Vogel ab. Schon zu Beginn muss man zur teureren Sonderedition greifen, wenn man auch das fünfte spielbare Monster und die zwei zusätzlichen Jäger besitzen möchte. Je nach Version ist der Season Pass nicht mal enthalten, der noch mehr Jäger, Monster etc. liefern wird. Immerhin sollen alle neuen Spielmodi und Karten gratis sein.
Über alternative Outfits kann ich ja hinwegsehen (auch wenn Turtle Rock mit 24 Skins nicht gerade zurückhaltend ist), aber wenn ich vom ersten Tag an das Gefühl habe, mit der Standard-Version nur einen Teil des Spiels zu erhalten, fühl ich mich abgezockt. Es ist zwar verständlich, dass Hersteller das Maximum aus ihren Spielen herauspressen wollen, aber wenn man offensichtlich merkt, dass bei einem fertigen Spiel ein Teil rausgeschnitten wird, nur um ihn separat zu vergolden, geht mir das gegen den Strich. Was schade ist, denn «Evolve» ist ein durchwegs gutes Spiel mit viel Potential das ordentlich Spass macht. Leider liegt darüber der Schatten der Profitgier und der fraglichen Langzeitmotivation.
Ich habe die PC-Version von «Evolve» getestet, die mir 2K zur Verfügung gestellt hat. Das Spiel ist ausserdem für die PS4 und die Xbox One erhältlich.