Elon Musk kuschelt mit Chinas Zensurbehörde – und das nicht zum ersten Mal. Der umtriebige Tesla-Chef hat als erster Ausländer einen Gastartikel für das offizielle Magazin der chinesischen Cyberspace-Behörde verfasst. Diese reguliert unter anderem Chinas umfassende Internet-Zensur. «Ich danke Ihnen für die Einladung», beginnt Musk. «Ich freue mich, mit meinen chinesischen Freunden einige meiner Gedanken über meine Visionen für Technologie und die Menschheit zu teilen.»
Seine mehrseitige Abhandlung in der Juli-Ausgabe von «Zhongguo Wangxin» («China Cyberspace») wurde auf Englisch übersetzt und online veröffentlicht.
Dass der selbsternannte Retter der Meinungsfreiheit und Demokratie für Chinas oberste Internetwächter in die Tasten haut, ist bemerkenswert. In keinem Land der Erde wird die Internetfreiheit so mit Füssen getreten wie in China. Noch im April begründete der reichste Mensch der Welt seinen angestrebten Twitter-Kauf mit der vermeintlich gefährdeten Meinungsfreiheit. Musk nennt sich «einen Absolutisten der freien Rede». Er kritisierte, das soziale Netzwerk würde die Redefreiheit einschränken. «Nun aber schreibt er für den wohl grössten Zensor weltweit», konstatiert die NZZ.
Die Cyberspace Administration of China überwacht chinesische Internet-Konzerne von Alibaba bis Tencent im Hinblick auf die Datensicherheit und zensiert das chinesische Internet. Die Zensurbehörde «verschickt in Echtzeit detaillierte Anweisungen an die Moderatoren der chinesischen sozialen Netzwerke», schreibt die NZZ. Sie sorgt dafür, dass auf chinesischen Online-Plattformen Kritik an der Regierung – etwa während des chaotischen Corona-Lockdowns in Schanghai – im Keim erstickt wird.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Musk von China instrumentalisieren lässt: Im vergangenen Jahr nahm er an Xis Weltinternetkonferenz teil, die von der staatlichen Cyberverwaltung, den obersten Internetwächtern Chinas, veranstaltet wird. Musks Anwesenheit schmückte die Propaganda-Show der staatlichen Internet-Zensoren.
Den Bückling vor Peking beherrschen auch Apple-Chef Tim Cook und die Top-Manager von Google und Facebook. Bereits 2017 pilgerten sie zu diesem Treffen der Internet-Giganten nach China, um bei Xi nicht in Ungnade zu fallen.
The CEOs of Apple and Google spoke at a controversial conference that critics say makes them 'complicit actors in the Chinese censorship regime' https://t.co/rfpDyZidoQ pic.twitter.com/Es0VRR3xKN
— Business Insider Tech (@BITech) December 4, 2017
In seinem Artikel betont Musk den Nutzen seiner Unternehmen Tesla, Neuralink und SpaceX für die Menschheit und ruft China zu einer umfassenden Zusammenarbeit auf.
Er schreibt, was Peking hören will.
Musks Gastbeitrag ist somit auch angesichts des amerikanisch-chinesischen Wirtschaftskrieges bemerkenswert. Während sich Facebook und Google ganz, respektive grösstenteils aus China zurückgezogen haben, laufen die Geschäfte für Tesla im Reich der Mitte prächtig. China ist der weltgrösste Markt für Elektroautos und Teslas Werk in Schanghai ist ein Kernstück der Wachstumspläne von Musks E-Auto-Konzern. Das macht Tesla, mehr noch als Apple, im höchsten Masse von Chinas Machthabern abhängig. Beide Unternehmen produzieren in China und setzen einen Grossteil ihrer Produkte auch dort ab.
Dass Musk Präsident Xi Jinping hofiert, ist nichts Neues: Letztes Jahr lobte er Chinas «wirtschaftlichen Wohlstand» zum 100. Jahrestag der Kommunistischen Partei. Es handelte sich wohl um eine Charmeoffensive. Denn kurz zuvor waren Tesla-kritische Artikel in den staatlichen Zeitungen erschienen. Das sei «ein sanfter Hinweis an Tesla, dass das Unternehmen nur mit grosszügiger Billigung der Regierung in China Autos bauen und verkaufen darf», schrieb der China-Korrespondent der NZZ.
Musk hat den Wink offenbar verstanden. Während er gerne gegen US-Präsident Joe Biden stichelt, spurt er, wenn Peking befehligt.
Ein Beispiel: Corona-Skeptiker Musk tobte, als seine Tesla-Fabrik in den USA wegen der Corona-Pandemie temporär schliessen musste. Er beschimpfte die Corona-Ausgangssperren in Kalifornien öffentlich als «faschistisch». Als der weit härtere Corona-Lockdown in Schanghai Teslas Werk stilllegte, hielt er sich mit Kritik auffällig zurück.
Musk steht wegen seiner Nähe zu Peking in der Kritik. Angesichts der wachsenden Spannungen zwischen China und den USA wird es für Tech-Bosse zunehmend schwieriger, ihre Geschäfte in China aufrechtzuerhalten. «Es würde mich verblüffen, wenn Musk nicht innerhalb eines Jahres vor einem Kongressausschuss sitzt und über seine Beziehung zu China ausgefragt wird», sagte Tech-Analystin Kendra Schaefer gegenüber Bloomberg.
In seinem Beitrag wiederholte Musk im Übrigen sein vertrautes Mantra: «Ich möchte alles tun, was wir können, um den Einsatz von Technologie zu maximieren, um eine bessere Zukunft für die Menschheit zu erreichen.»
Seine grösste Hoffnung sei, «dass die Menschen eine sich selbst versorgende Stadt auf dem Mars errichten». Tesla-Roboter seien gedacht, um in Millionen von Haushalten zu dienen, «wie zum Beispiel beim Kochen, Rasenmähen und bei der Pflege von älteren Menschen».
Ein Vertreter von Tesla China bestätigte, dass Musk den Gastbeitrag verfasst hat, lehnte eine darüber hinaus gehende Stellungnahme jedoch ab.
Für die Tech-Konzerne wird China zum Minenfeld. Apple verlagert seine Produktion schrittweise nach Indien und Vietnam, will Xi aber auf keinen Fall vor den Kopf stossen. Apple habe zuletzt seine in Taiwan ansässigen Lieferanten dazu aufgefordert, das «Made in Taiwan»-Label zu verschleiern, um China nicht zu verärgern, berichtete die japanische Wirtschaftszeitung «Nikkei» vor einigen Tagen.
Apple kooperiert seit Jahren mit Chinas Zensurbehörde und speichert die Nutzerdaten chinesischer iCloud-Nutzer seit 2018 auf den Servern einer chinesischen Staatsfirma, um weiter im Land geschäften zu können.
Taiwan hin, Uiguren her: Wenn Peking befiehlt, verschwinden unliebsame Apps schneller aus dem App Store, als Tim Cook seinen Kontostand prüfen kann.
Menschenrechtsorganisationen sind deshalb seit Jahren besorgt. Denn nicht nur Bürgerrechtler oder Angehörige von Minderheiten oder Religionsgruppen stehen im Fadenkreuz der Internetwächter, sondern auch normale Bürger bekommen das repressive Regime zu spüren.
Google wurde in China sukzessive aus dem Markt gedrängt. China will heimische Suchmaschinen, die sich leichter kontrollieren lassen. 2018 flog auf, dass Google für die Rückkehr auf den chinesischen Markt am «Projekt Dragonfly» arbeitete, sprich heimlich eine zensierte Such-App für Android-User in China entwickelte. Als die eigenen Mitarbeiter davon Wind bekamen, gab es heftige Proteste. Angeblich wurden die Pläne danach fallen gelassen.
Microsoft soll der chinesischen Regierung ein modifiziertes Windows-Betriebssystem zur Verfügung stellen. Es ermögliche den Behörden, eigene Verschlüsselungstechniken einzusetzen. Diese Spezialversion soll dem Windows-Konzern die Tür zu chinesischen Behörden öffnen.
Auch Mark Zuckerberg versuchte sein Glück in China. Nachdem die Expansion mit Facebook gescheitert war, gab er seine Avancen gegenüber der Kommunistischen Partei auf und ist «zum Kritiker des Regimes geworden», schreibt die NZZ.