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Glasfaser-Drohnen: Was gegen Russlands billige «Wunderwaffe» hilft

Eine russische Glasfaserdrohne, die vom ukrainischen Militär erbeutet wurde. September 2024. Ukraine.
Eine russische Glasfaserdrohne, die vom ukrainischen Militär erbeutet wurde.Bild: Militarnyi (Ukraine)

Glasfaser-Drohnen: Was die NATO gegen Putins billige «Wunderwaffe» tun will

«Das wird das Jahr der Glasfaser-Drohne», sagt der Kommandeur eines ukrainischen Drohnen-Regiments. Nun reagiert auch das transatlantische Verteidigungsbündnis auf die neue Entwicklung.
16.06.2025, 21:1716.06.2025, 21:17
Peter Riesbeck / t-online
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In der Rüstungsindustrie richten die meisten den Blick in dieser Woche nach Paris. Dort findet in Le Bourget noch bis zum Wochenende die Paris Air Show statt. Es geht um die neueste Technik – auch für Kampfjets und Drohnen.

Doch mit noch mehr Spannung wird ein Treffen von NATO-Fachleuten am Freitag in Estlands Hauptstadt Tallinn erwartet. Bei der «NATO Innovation Challenge» geht es vor allem um Gegenmassnahme gegen Russlands neue «Wunderwaffe» auf dem Schlachtfeld in der Ukraine: Glasfaser-Drohnen.

Von «der dringendsten und komplexesten Bedrohungen auf dem Schlachtfeld», spricht das transatlantische Verteidigungsbündnis in einem Papier.

Im Folgenden erfährst du das Wichtigste zur Technik und wie die Ukraine künftig die russischen Vorteile bei den Glasfaser-Drohnen ausschalten will.

Die Technik

Militärexperten waren überrascht. Die Drohnen, die die russische Armee im August 2024 plötzlich in der Region Kursk einsetzte, liessen sich nicht durch Störsender abfangen. Mit diesem taktischen Vorteil gelang den Truppen des russischen Staatschefs Wladimir Putin rasch ein Vormarsch.

Der Grund für die russische Überlegenheit: Glasfaser-Drohnen. An einer Spule am Chassis der Drohne ist ein haardünnes Glasfaser-Kabel aufgewickelt. Steigt die Drohne auf, läuft das Signal aus dem Kommandostand über die Kabelverbindung. Für gegnerische Störsender ist die Kommunikation nicht zu knacken. Von einem «Game-Changer» spricht die Zeitung «Kyiv Post» – einem neuen taktischen Vorteil.

Denn bis dahin hatte die Ukraine bei der Drohnen-Entwicklung einen technischen Vorsprung. Kiew hatte seine Drohnen-Einheiten als eigene Waffengattung organisiert und mit stetig neuen Entwicklungen überzeugt. Mit Drohnen im Wert von wenigen Dollar hatte die ukrainische Armee russische Panzer im Millionenwert gestoppt und so Putins Überlegenheit auf dem Schlachtfeld gekontert.

Die neuen Glasfaser-Drohnen änderten alles. Die Zeitung «Kyiv Post» zitiert den Militärexperten Samuel Bendett mit den Worten: «Es war eine rohe, unerprobte Technologie, aber sie hat sich seitdem ausgeweitet und jeder sieht jetzt ihren Vorteil.»

Die Gegenmassnahmen

Zunächst verfügten die russischen Drohnen nur über eine Glasfaserleitung von wenigen hundert Metern. Das hat sich geändert. Reichweiten von zwanzig Kilometern sind mittlerweile Standard, einzelne Drohnen schaffen sogar fünfzig Kilometer über die Kabelverbindung.

Längst hat auch die Ukraine in dem Rennen aufgeholt. «2025 wird das Jahr der Glasfaser», sagte Kyrylo Veres, ein ukrainischer Offizier und Kommandeur von K-2, einem der führenden Drohnenregimente des Militärs, im März in einem Interview mit heimischen Medien.

Testflug einer ukrainischen Glasfaser-Drohne (Archivbild): Die an einer Spule unter dem Drohnengehäuse aufgehängte haardünne Leitung macht die neuen Kampfmittel für feindlichen Funk unanfällig.
Testflug einer ukrainischen Glasfaser-Drohne (Archivbild): Die an einer Spule unter dem Drohnengehäuse aufgehängte haardünne Leitung macht die neuen Kampfmittel für feindlichen Funk unanfällig.Bild: imago-images.de

Federico Borsari, Verteidigungsexperte vom Center for European Policy Analysis, erklärt:

«Derzeit beruht die beste Verteidigung auf einer Kombination aus passiven und aktiven Gegenmassnahmen und sollte auch klassische Signalaufklärung und andere Formen der Informationsbeschaffungstechniken einbeziehen, um russische Drohnenteams zu orten.»
quelle: «Defense News»

In der Regel glitzern die abgerollten Glasfaserleitungen auf dem Schlachtfeld verräterisch in der Sonne. Dann wird versucht, die neuen Drohnen abzuschiessen oder sie durch eigene Drohnen zu vertreiben.

Die Drohnenjäger
Die ukrainische Drohneneinheit «Magyar Birds Brigade» hat nach eigenen Angaben eine wirksame Strategie entwickelt, um russische FPV-Drohnen mit Glasfasersteuerung abzuwehren. Laut einem Bericht von «The Warzone» Ende Januar 2025 nutzt die Brigade mobile Radarsysteme, um feindliche Drohnen frühzeitig zu erkennen und daraufhin mit eigenen Drohnen abzufangen. Der Kommandeur der Einheit, Robert Brovdi, bekannt unter dem Rufzeichen «Magyar», erklärte, dass erste Methoden zur Erkennung und Zerstörung dieser Drohnen bereits im Einsatz seien.

Aber auch das wird von den Schlachtfeldern berichtet: Ukrainische Truppen, die versuchen die Glasfaser-Drohnen mit Infrarot- oder Akustik-Systemen zu orten, um sie dann abzuschiessen – mit Schrotflinten. Auch mit einfachen Netzen sollen die russischen Glasfaser-Drohnen gestoppt werden. Sehr viel analoge Technik gegen neues digitales Kriegsgerät.

Die NATO-Initiative

Schlachtfeld in der Region Kursk (Archivfoto): Wie ein Spinnennetz ziehen sich die Glasfaserleitungen nach dem Drohneneinsatz über das Kampfgebiet.
Schlachtfeld in der Region Kursk (Archivfoto): Wie ein Spinnennetz ziehen sich Glasfaserleitungen nach einem Drohneneinsatz über das Kampfgebiet.Bild: imago-images.de

Die Allied Command Transformation (ACT), eine Art Think-Tank der NATO, hat nun einen Wettbewerb ausgerufen, um neue Techniken gegen die russischen Glasfaser-Drohnen aufzufinden. Die Ergebnisse werden am Freitag in Estlands Hauptstadt Tallinn vorgestellt. Dort sitzt schon das Cyber-Zentrum des Verteidigungsbündnisses.

Von einem «neuen Kapitel im Katz-und-Maus-Spiel um Innovationen und Gegenmassnahmen im Drohnenkrieg», spricht Verteidigungsexperte Borsari.

So ist es ukrainischen Einheiten zuletzt gelungen, den Standort einer russischen Drohnen-Einheit ausfindig zu machen. Ihre Taktik: Sie folgten einfach dem Ende der Glasfaserleitungen auf dem Schlachtfeld.

In dem NATO-Wettbewerb geht es nun darum, neue technische Möglichkeiten zu bündeln. Borsari beschreibt die technischen Anforderungen so:

«Die geplanten Gegenmassnahmen müssen eine Erkennungsreichweite von mindestens 500 Metern haben, bei Tag und Nacht einsatzfähig sein, weniger als 100 Kilo wiegen und die Gesamtkosten von 100'000 Dollar nicht überschreiten.»

Quellen

(t-online/dsc)

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