Nach Recherchen des «Wall Street Journal» strebt Microsoft bei der nächsten Finanzierungsrunde eine Minderheitsbeteiligung an der Software-Firma Cyanogen an. Dabei sollen mehrere Investoren insgesamt 70 Millionen Dollar für das Unternehmen bereitstellen. Microsoft und Cyanogen haben den Bericht bislang nicht kommentiert.
Die Investition käme auf den ersten Blick überraschend: Microsoft und Cyanogen sind Konkurrenten. Cyanogen stellt eine Variante des Android-Betriebssystems her, Microsoft arbeitet derzeit an einer Neuauflage seines Betriebssystems Windows, die auch auf Mobilgeräten läuft.
Windows Phone, so hiess Microsofts Mobil-Betriebssystem bislang, hat bislang allerdings kaum Marktmacht entfalten können. Nur drei Prozent aller Smartphones und Tablets haben Windows Phone installiert. Auf über 80 Prozent der Geräte läuft eine Android-Version.
Beobachter schätzen die angebliche Investition daher als strategischen Zug ein: Sie soll helfen, Googles Einfluss auf Android zu verringern. Denn Cyanogen entwickelt seine Android-Variante mit dem Ziel, Googles Macht über das mächtigste Betriebssystem zu brechen.
Prinzipiell ist Android zwar ein Open-Source-Projekt. Tatsächlich aber hält Google die Hand über ihm: Nur wer in seiner Android-Variante diverse Vorgaben erfüllt, bekommt Zugriff auf viele praktische Google-Funktionen, allen voran Googles Suche und den App-Store. Damit sind die derzeit weitverbreiteten Varianten von Android faktisch Google-Betriebssysteme. Für Microsoft bedeutet das zum Beispiel, dass die eigene Suchmaschine Bing noch weiter gegen Googles Suchmaschine ins Hintertreffen gerät.
Eine Investition in Cyanogen würde also zum einen eine Schwächung von Googles Position bedeuten, zum anderen könnte sich für Microsoft langfristig die Option bieten, die eigenen Produkte für ein weiteres Betriebssystem zu vertreiben. Schon jetzt bietet Microsoft zum Beispiel Outlook- und Office-Apps für Apples Betriebssystem iOS und für Android an.
Cyanogen entwickelt mit CyanogenMod derzeit eine Android-Variante, die ganz ohne Googles Einfluss auskommen soll. «Wir nehmen Google Android weg», sagte Cyanogen-Geschäftsführer Kirt McMaster vergangene Woche bei einem Android-Event. McMaster zufolge benutzen bereits 50 Millionen Menschen CyanogenMod, die meisten von ihnen, um Googles Android-Variante absichtlich mit einer anderen zu ersetzen.
Als nächsten Schritt plant McMaster die Kooperation mit Hardware-Herstellern, die CyanogenMod auf ihren Smartphones und Tablets vorinstallieren sollen. Dieses «offenere» Betriebssystem soll auch App-Entwickler anlocken, deren Produkte bislang mit zwangsweise vorinstallierten Google-Produkten konkurrieren mussten – ein eher aussichtsloses Unterfangen.
(kno)