Ist der Diebstahl von umgerechnet 600 Millionen Dollar der grösste Krypto-Geldraubzug aller Zeiten? Oder der Versuch, auf Schwachstellen im Umgang mit Digitalwährungen hinzuweisen? Auf der Suche nach dem Motiven stösst man auch auf einen deutschen Philosophen.
Der Hacker, der offenbar hinter einem der bisher grössten Kryptowährungsdiebstähle steckt, hat fast die Hälfte der gestohlenen 600 Millionen Dollar zurückgegeben. Die von dem Einbruch betroffene Plattform Poly Network berichtete am Mittwoch (Ortszeit) auf Twitter, man habe mittlerweile Einlagen im Wert von 260 Millionen Dollar zurückerhalten.
Obwohl noch mehr als die Hälfte der Beute verschwunden ist, mehren sich damit die Anzeichen, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Verbrechen handelt. Vielmehr sprechen die Indizien derzeit dafür, dass der Hacker mit einer drastischen Aktion auf die Schwachstelle in dem technischen Protokoll von Poly Network hinweisen wollte.
In diese Richtung weisen auch Spuren, die Tom Robinson, Mitbegründer von Elliptic, einem Londoner Unternehmen für Blockchain-Analysen und Compliance, in den öffentlich einsehbaren Überweisungen des Hackers entdeckt hat. Robinson veröffentlichte auf Twitter eine dreiseitige Frage-Antwort-Runde, die der Hacker in Form eines Selbstinterviews veröffentlich hatte.
In dem Text behauptet der Hacker, kein grosses Interesse an dem Geld zu haben. «Ich habe genug Geld.» Er habe stets geplant, die Beträge zurückzugeben. Der Diebstahl habe die Schwachstellen in der Software von Poly Network aufzeigen sollen. «Ich weiss, es tut weh, wenn Menschen angegriffen werden, aber sollten sie nicht etwas aus diesen Hacks lernen?», schrieb der Hacker in den Notizen. Er habe die «Token» übertragen, um sie in Sicherheit zu bringen, aber nichts davon verkauft.
In seinen Bemerkungen in der Etherum-Blockchain geht der Hacker auch auf die Frage ein, warum er die gestohlenen Werte nicht in einem Rutsch zurücküberwiesen hat: «Ich brauchte Zeit, um mit dem Team von Poly Networks zu reden. Sorry, das ist der einzige Weg, um meine Würde zu bewahren, ohne meine Identität preiszugeben. Und ich musste mich etwas ausruhen.»
In den Bemerkungen des Hackers gibt es auch einen Querverweis auf den deutschen Philosophen Martin Heidegger. Auf Englisch heisst es dort: «Ich erforsche seit einiger Zeit den Sinn des Lebens und hoffe, dass mein Leben aus einzigartigen Abenteuern bestehen kann. Daher lerne und hacke ich gerne alles, um gegen das Schicksal zu kämpfen.» Dann folgen auf Deutsch die drei Worte: «Sein zum Tode.» Diese Wortfolge wurde von Heidegger verwendet um zu beschreiben, dass die Sterblichkeit und Endlichkeit des Daseins auch das Leben bestimmen. (aeg/sda/awp/dpa)