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«In unseren Pornos brauchen wir keine Männer. Höchstens als Zuschauer. Und jung sollten sie sein»

Schwedens Pussy Power macht die Männer sauer. Und die Frauen heiss. Oder so. Ninja Thyberg (l.) und Joanna Rytel (ohne Lachen) am Samstag in Zürich.
Schwedens Pussy Power macht die Männer sauer. Und die Frauen heiss. Oder so. Ninja Thyberg (l.) und Joanna Rytel (ohne Lachen) am Samstag in Zürich.Bild: sme
«Swedish Pussy Power» & Feminismus

«In unseren Pornos brauchen wir keine Männer. Höchstens als Zuschauer. Und jung sollten sie sein»

Klare Worte, klare Fantasien. Ninja Thyberg und Joanna Rytel gastieren mit ihren Filmen an den Zürcher Porny Days.
06.12.2014, 18:05
Simone Meier
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Seit sie mal was gegen eine Miss Schweden gesagt hat, erhält Joanna Rytel Todesrohungen. Deshalb will sie nicht, dass ich schreibe, wo sie gerade lebt. Joanna Rytel und Ninja Thyberg sind schwedische Pornoregisseurinen. Mit welchem Ziel? «Natürlich will ich, dass Frauen oder Menschen mit einer Vagina bei meinen Filmen erregt werden», sagt Thyberg, «hast du meinen Film ‹VÅT› gesehen? Also ich bin erregt, wenn ich den sehe.» 

Ich nicht. Aber es lässt sich sagen: «VÅT» ist ein höchst sinnlicher, hochartifizieller Film über weibliche Lust, irrsinnig bunt und suggestiv, irgendwo wurde er als «Fruit Porn» bezeichnet, offenbar eine sexuell stimulierende Untergattung von Food Porn

Ninja Thyberg wird mit ihren Filmen nach Cannes eingeladen, an die Semaine de la critique, und Joanna Rytel war heuer für den schwedischen Filmpreis nominiert. Jetzt sind sie beide in der Kurzfilm-Sektion «Swedish Pussy Power» an die Porny Days eingeladen, und wir treffen uns zu einem Kaffee im Festivalzentrum an der Zürcher Neugasse. In einem komplett schwarzen Raum. Jemand probiert gerade eine Nebelmaschine aus. Andere machen eine Mikrofonprobe mit etwas, das wie deutsche Sexlyrik klingt. 

Joanna Rytel flasht die Pariser. 
Joanna Rytel flasht die Pariser. Bild: Joanna Rytel

Der deutsche Dokfilmer Jan Soldat kommt freudestrahlend rein, weil er gleich den Schweizer Kurzfilmer Oliver Schwarz treffen wird, «das ist der mit dem Film über einen, der mit einer Gummipuppe lebt, den wollte ich schon immer mal kennen lernen!». Die Bar ist glücklich, weil sie am Eröffnungsabend viel Geld verdiente. Zwischen den alles versprechenden Ledersofas spielen kleine Kinder. Was tun kleine Kinder an einem Pornofestival? Das Gleiche wie die Erwachsenen: sich wohl fühlen.

Ninja Thyberg macht tendenziell ernste Filme mit einem riesigen künstlerischen Anspruch oder einer diskursiven Message. In «Hot Chicks» etwa spielen ein paar attraktive Damen die Tanztruppe für einen ganz konventionellen Musik-Video-Clip. Hinter der Bühne unterhalten sie sich höchst kritisch über die gesellschaftliche Wirkung ihrer Brüste und aufgespritzten Lippen. Klar, dass das Video am Ende dann doch die kollektiven Fantasien bedient.

«VÅT» von Ninja Thyberg

Joanna Rytel macht eher lustige Performance-Aktionen. Etwa in «Flasher Girl on Tour», wo sie selbst in der Rolle einer Exhibitionistin durch Paris spaziert, sich auf Hotelbalkons oder in der Métro entblösst oder sich auf einer Parkbank oder im Garten des Ritz mit einem Vibrator befriedigt. Aufgezeichnet wurde alles von einer Handykamera, die Passanten, die Rytel in Paris flashte, hatten also keine Ahnung, dass es sich dabei um ein Kunstprojekt handelte. Ihre Überraschung oder Neugierde sind echt. Und das Entzünden der Fantasien funktioniert wie auf Knopfdruck. Das also ist feministischer Porno.

Kampf gegen die Gehirnwäsche

In «On Top of Your Gaze» spielt sie eine Menstruierende, die sich vor zwei Männern einen runterholt. Die Bilder werden dabei zu einem rasenden Kaleidoskop, irgendwann ist beim besten Willen nicht mehr zu erkennen, was da stattfindet, aber das Rote, ist das Blut? «Ja, das ist Blut.» Und wieso der kaleidokopische Blick? «Ich wollte weg von allem Bekannten, auch in den Bildern. Meine Filme sind eine Reaktion auf etwas, dass ich nicht mag.»

Weg also. Weg von allen Geschlechter-Stereotypen, allen Rollenbildern. Was automatisch heisst: weg vom Mann. Brauchen ihre Filmfrauen Männer überhaupt noch? Gibt es nicht genug Ersatzfantasien, Ersatzhandlungen und Ersatzpenisse, mit denen sie sich befriedigen können? «Nein, wir brauchen keine Männer mehr. Nur um sie zu benutzen. Oder ihre Blicke. Die sind wichtig. Und was auch wichtig ist: Die zuschauenden Männer sollten dabei möglichst jung sein. Und knackig.»

Backstage debattieren die «Hot Chicks» über Gender.
Backstage debattieren die «Hot Chicks» über Gender.Bild: ninja Thyberg
On stage verkörpern sie, was man halt so kennt.
On stage verkörpern sie, was man halt so kennt.Bild: Ninja Thyberg

Was konsumieren die beiden eigentlich privat an Pornos? «Sag ich nicht, das ist privat», sagt Rytel. Thyberg, die sich seit ihrem sechzehnten Jahr intensivst mit Pornos beschäftigt, ist ganz offen: «Wir sind ja alle total brainwashed von Mainstream-Pornos. Deshalb war ich früher auch eine Anti-Porno-Aktivistin. Dann habe ich mich geöffnet und gemerkt, dass Porno etwas ungeheuer Kraftvolles und Befreiendes sein kann. Wenn man nämlich der Porno-Industrie zu lange zuschaut und sie zu lange kritisiert, sieht man sich automatisch als Opfer. Davon wollte ich mich endlich emanzipieren.»

Kein Geld und Todesdrohungen

Und jetzt? «Jetzt versuche ich, mich zu deprogrammieren und meine Gehirnwäsche aufzuheben, indem ich ausschliesslich schwule Pornos schaue. Ich muss das üben. Ich muss den männlichen Körper ganz neu betrachten und erfahren. Ihn objektivieren, damit meine eigene Sexualität mächtiger wird.» «Mir gefällt auch, dass sich in den sogenannten Schwulen-Pornos heterosexuelle Darsteller gegenseitig ficken müssen», sagt Rytel, «jedenfalls stelle ich mir das immer vor. It's nice.»

Und? Was machen die beiden noch so in Zürich? «Viele Filme schauen», sagt Thyberg. «Sonst nichts. Kein Geld», sagt Rytel. Kein Geld und Todesdrohungen, das klingt traurig. «Nein, nein, nicht traurig», sagt sie und muss lachen. Aber das Foto, dass dabei entsteht, gefällt ihr nicht. Schwedens Pussy Power sieht sich lieber streng.

Und hier noch eine jugendfreie Zugabe: Die vor den Ziegen tanzt. Joanna Rytels «Goat Performance»

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