Rund zwanzig Jahre lang wurde die Kommunistische Partei Chinas (KPC) von farblosen Bürokraten regiert. Auf den wenigen Fotos des ständigen Ausschusses des Politbüros der KPC – dem eigentlichen Machtzentrum Chinas – waren stets Männer zu sehen, die man kaum unterscheiden konnte. Gekleidet in dunklen Anzügen und die schwarzen Haare identisch frisiert, wirkten sie wie geklont.
Seit dem Frühjahr 2013 ist Xi Jinping der neue starke Mann Chinas. Der 61Jährige ist alles andere als eine graue Maus. Er ist der Sohn eines engen Gefährten des Grossen Vorsitzenden Mao – sie werden Prinzlinge genannt – ist in zweiter Ehe mit der populären Schlagersängerin Peng Liyuan verheiratet, und er ist ein Mann, der seine Macht geniesst und zur Schau stellt.
Xi ist kein Freund des Westens. Öffentlich lobt er den Blogger Zhou Xiaoping, der sich mit Tiraden gegen die USA einen Namen gemacht hat und dem Westen vorwirft, die «moralischen Grundlagen und das Selbstvertrauen der Chinesen zu untermauern».
Bei einem Staatsbesuch in Brasilien hat Xi kürzlich die Schwellenländer dazu aufgerufen, die «amerikanische Vorherrschaft im Internet herauszufordern». An einer Konferenz in Schanghai hat er die USA aufgefordert, sich aus Asien zurückzuziehen, denn «es sei an der Zeit, dass die Asiaten die asiatischen Dinge regeln würden».
Innenpolitisch hat Xi seine Macht innert kürzester Zeit gefestigt. Die Zahl der Mitglieder im ständigen Ausschuss hat er von einst 17 auf sechs ihm treu ergebene Anhänger reduziert. «In der Öffentlichkeit gibt er sich ein bisschen wie Putin», erklärt Dali Yang, Professor für Politologie an der University of Chicago in der «New York Times». «Er sagt: Ich werde die Partei, die nationalen Interessen und die nationale Souveränität verteidigen.»
Xi will etwas bewegen. Er fordert seine Landsleute auf, den «chinesischen Traum» zu verwirklichen und hat dazu gar einen populären Song verbreiten lassen. «Er ist sehr viel umtriebiger, als wir ihn uns vorgestellt haben» sagt Yang. «Wir haben zwar einige Schachzüge von ihm erwartet, aber niemals in diesem Umfang und in dieser Breite.»
Der Asien-Pazifik-Gipfel in Peking ist die ideale Bühne, auf der sich Xi präsentieren kann. Er tut dies souverän. Dem japanischen Premierminister Shinzo Abe schüttelt er demonstrativ die Hände und überspielt damit, dass die Stimmung der beiden Staaten sich auf einem Tiefpunkt befindet. Mit dem US-Präsidenten Barack Obama hat er ein Klimaabkommen abgeschlossen.
Erstmals verpflichtet sich Peking, die CO2-Emissionen zu begrenzen. Spätestens ab 2030 soll der Ausstoss von Kohlendioxid sinken. Zusammen mit den USA ist China für rund 40 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich.
Umweltverschmutzung ist in China zu einem Problem geworden, dass auch die KPC nicht mehr länger ignorieren kann. Im Winter übersteigt die Feinstaubkonzentration in der Pekinger Luft die von den Gesundheitsbehörden definierte Obergrenze bis zu 40 Mal. Kinder dürfen nicht mehr im Freien spielen, Fenster nicht mehr geöffnet werden und wer auf die Strasse muss, bindet sich einen Atemschutz um.
Xi Jinping ist vom Westen zunächst völlig falsch eingeschätzt worden. Zunächst wurde er als Pragmatiker und heimlicher Symphatisant der Marktwirtschaft eingestuft. Heute wird er teilweise schon als neuer Mao Zedong gehandelt. Das dürfte weit übertrieben sein. Doch eines ist klar: Mit Xi will China wieder werden, was es bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war: Die bestimmende Nation in Asien und eine globale Supermacht.