Die bürgerlichen Parteien und die rot-grüne Berner Kantonsregierung lehnen die Initiative ab. Diese sei unnötig, weil die Bernischen Kraftwerke (BKW) Mühleberg 2019 so oder so stilllegen wollten. Ein vorzeitiger Ausstieg sei technisch schwer zu realisieren und koste den Kanton als Hauptaktionär möglicherweise «eine grosse Summe». Die Regierung war bisher aber nicht in der Lage, präzise Zahlen zu nennen.
Solche lieferte dafür BKW-Chefin Suzanne Thoma der «Berner Zeitung». Bei einer sofortigen Abschaltung entgingen der BKW jährliche Einnahmen von 120 Millionen Franken. Zudem sei mit Schadenersatzforderungen bis zu einer halben Milliarde Franken zu rechnen.
Die Zahlen werden von den Initianten bestritten. SP und Grüne unterstützen das Anliegen. Angesichts der tiefen Strompreise in Europa sei der Moment für den Ausstieg günstig. Das Werk habe zudem seine technische Lebensdauer längst überschritten. Mühleberg müsse aus Sicherheitsgründen sofort vom Netz.
In dieser Argumentation schwingt eine gehörige Portion Misstrauen gegenüber dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) mit. Dieses ist für die Sicherheit der Schweizer Atomkraftwerke verantwortlich. Das Ensi will, sehr zum Ärger der Berner Atomgegner, erst nach der Abstimmung kommunizieren, ob die BKW zusätzliche Investitionen in die Sicherheit von Mühleberg tätigen muss.
Die Berner Abstimmung dürfte auch die Diskussionen auf Bundesebene über die Energiestrategie 2050 beeinflussen. Für den Walliser CVP-Nationalrat Yannick Buttet wird das Resultat zeigen, ob die Atomenergie tatsächlich wieder etwas positiver beurteilt werde als unmittelbar nach Fukushima.
«Ein Ja wäre Rückenwind für die Grünen, die fixe Abschaltzeiten für alle Schweizer AKW verlangen», sagt Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen. Mühleberg müsse angesichts der desolaten Sicherheitslage «möglichst rasch vom Netz». Sollte Bern der Initiative zustimmen, dann steige der Druck, auch andere Reaktoren rasch stillzulegen.
Ähnlich argumentiert der Basler SP-Nationalrat Beat Jans: «Ein Ja könnte unentschlossene Parlamentarier dazu bewegen, Abschaltfristen ins Gesetz zu schreiben.»
Auf Bundesebene besteht bisher zwar ein breiter Konsens, dass es in der Schweiz keine neuen AKW mehr geben soll. Wann allerdings die bestehenden Meiler vom Netz genommen werden, will die Politik der Atomaufsichtsbehörde Ensi überlassen.
«Ob Mühleberg sofort oder erst in ein paar Jahren den Betrieb einstellt, hat auf die Gesamtstrategie der Schweizer Energiepolitik keinen Einfluss», sagt derweil der Aargauer Grünliberale Beat Flach. Schon aus rein wirtschaftlichen Gründen werde die Energiegewinnung in Zukunft nicht mehr auf Atomkraft basieren können.
Wenn sich die Bernerinnen und Berner nicht für ein Abschalten entscheiden, so werde sich der Kanton Bern als Eigentümer der BKW gleichwohl bald der Tatsache stellen müssen, dass der Weiterbetrieb von Mühleberg wegen notwendiger Sicherheitsnachrüstungen der Betreibergesellschaft Defizite bescheren werde.