Um die Frage, ob ein muslimisches Mädchen mit Kopftuch die Primarschule besuchen darf, streiten sich Eltern und Behörden in St. Margrethen SG. Kommende Woche stehen die Eltern vor dem Einzelrichter des Kreisgerichts, weil sie einen Strafbefehl nicht akzeptierten.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Eltern vor, ihre Erziehungspflicht verletzt zu haben, weil ihre Tochter zwischen Sommer und Herbst 2013 zeitweise der Schule fernblieb. Zudem sollen die Eltern gegen das kantonale Volksschulgesetz und gegen amtliche Verfügungen verstossen haben.
Im Hintergrund steht eine Kontroverse, die schon vor einigen Jahren begann. Die Familie lebt nach der Scharia (islamisches Recht). Sie beansprucht für ihre Tochter das Recht, in der Schule ein Kopftuch zu tragen. Aus dem gleichen Grund durfte das Mädchen nicht am Schwimmunterricht und an Schullagern teilnehmen.
In Gesprächen mit Behörden pochte der Vater immer wieder auf die Religionsfreiheit. Diese und die Scharia stünden über den Schweizer Gesetzen, war sein Standpunkt. Die Schulbehörden reagierten mit Ermahnungen, später mit Bussenverfügungen und Anzeigen.
Mitte 2012 erliess die Staatsanwaltschaft Altstätten einen Strafbefehl, weil die Familie die Teilnahme der Tochter am Sommerlager der Schule verweigert hatte. Mitte 2013 folgte ein weiterer Strafbefehl, wegen Verstössen gegen das Volksschulgesetz und Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen.
Die Kontroverse ging weiter: Nach den Sommerferien 2013 erschien der Vater mit seiner Tochter in der Schule und bemühte sich vergeblich um eine Kopftuchtrag-Erlaubnis für die Tochter. Danach blieb das Mädchen zu Hause und erarbeitete den Schulstoff alleine.
Die Schule machte die Eltern in einer Verfügung auf die Pflicht zur Teilnahme der Tochter am Unterricht - ohne Kopfbedeckung - aufmerksam. Gegen das Kopftuchverbot wehrte sich die Familie, vertreten durch den Islamischen Zentralrat der Schweiz, beim Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen.
Diese Beschwerde ist laut Auskunft der Schule St. Margrethen noch hängig. Im November 2013 verfügte das St. Galler Verwaltungsgericht, dass das Mädchen bis zum Abschluss des Verfahrens die Schule mit Kopftuch besuchen dürfe. Seither nimmt die Schülerin wieder am Unterricht teil.
Parallel zu diesem Verfahren erliess die Staatsanwaltschaft Mitte Oktober Strafbefehle gegen beide Eltern. Gegen den Vater sprach sie eine unbedingte Freiheitsstrafe von drei Monaten und eine Busse von 2500 Franken aus, gegen die Mutter eine bedingte Geldstrafe und eine Busse von 800 Franken.
Dagegen erhoben die beiden Bestraften Rekurs. Der Fall wird deshalb kommende Woche vom Einzelrichter des Kreisgerichts Rheintal beurteilt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater «beispiellose Ignoranz gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung» vor. Er sei nicht ansatzweise bereit, sich und seine Familie zu integrieren. (whr/sda)
“Was ihr in euren Ländern macht, ist eure Sache, aber hier lebt ihr nach unseren Regeln. Wenn also einer von euch meint, sich hier der Integration zu verweigern und einen Sonderweg fahren zu müssen, dem wird zuerst die Sozialhilfe gestrichen und anschliessend wird die gesamte Familie ausgewiesen.
Überlegt euch gut, was ihr macht.
Wir respektieren eure Gebräuche in euren Ländern, ihr respektiert unsere Gebräuche in unseren Ländern.
Guten Abend.”