Eigentlich sollte der Eurovision Song Contest unpolitisch sein. Das wurde auch während des zweiten Halbfinals am Donnerstag immer wieder von verschiedenen Moderatorinnen und Moderatoren wiederholt. Die Teilnahme Israels scheint dieses Credo nun aber endgültig zu verunmöglichen.
Bereits im Vorfeld sorgte der Song «Hurricane» von Eden Golan für Diskussionen. Die 20-Jährige musste den Songtitel («October Rain») und Textpassagen ändern. Der Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 darf keine Rolle spiele, weil zu politisch. Dann kam es bereits vor dem zweiten Halbfinale zu Anti-Israel-Protesten in Malmö.
Diese allgemeine Anspannung kulminierte schliesslich im tatsächlichen Auftritt Eden Golans. Sie kam als Drittletzte dran. Im Live-TV hört man während der Performance vereinzelt Geklatsche und Freudenschreie. Auch zum Abschluss gab es vermeintlich nur Zuspruch, das Stadion schien begeistert.
Wenig später tauchten jedoch erste Bilder aus dem Stadion auf. Hier scheint der Applaus sehr viel verhaltener auszufallen, vereinzelt wird sogar gebuht:
The reaction for Israel from the Arena #eurovision2024 pic.twitter.com/0E6VLckEWF
— Rob Gartland (@robgartland) May 9, 2024
Auch der ORF-Kommentator, der sich selbst in der Halle aufhält, sagt: «Massive Buhrufe in der Halle werden von den Menschen vom Ton durchaus mit zugespieltem Applaus überdeckt. Das ist natürlich eine Gratwanderung hier für alle Beteiligten.»
Bei der Verkündigung der Finalisten, die nach dem Zufallsprinzip funktioniert, waren die Buhrufe aus der Halle dann kurz etwas deutlicher zu hören.
Trotz – oder eben gerade wegen – der Kontroverse voten die Zuschauer Israel und Eden Golan in den Final. Die ESC-Veranstalter sehen sich also am Samstag mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie am Donnerstag. Und nicht nur das: Israel scheint nun gar reelle Chancen auf den Sieg am ESC zu haben.
Kurz nach dem Halbfinal schätzen die Wettanbieter Israels Chancen massiv besser ein als noch davor. Denn vor der Sendung lag Israel hier noch auf dem achten Platz, die Siegeschance betrug zwei Prozent. Mittlerweile liegt Israel auf Platz zwei, die Chancen steigen auf 19 Prozent. Damit verdrängt Eden Golan gar Nemo auf den dritten Platz. Kroatien führt mit Baby Lasagna aber weiterhin.
Dann passierte im italienischen Fernsehen ein Fauxpas: Die Italiener veröffentlichten versehentlich die Televoting-Zahlen. Fast 40 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer stimmten demnach für Israel. Die Kroaten können sich ihres Sieges am Samstag also keinesfalls gewiss sein.
Italian TV accidentally revealed their televoting percentages during tonight's #Eurovision semi-final, according to which the Israeli 🇮🇱 song is leading by 40%, with a huge margin ahead of all others.
— Dr. Eli David (@DrEliDavid) May 9, 2024
Thank you Italy 🇮🇱❤️🇮🇹
pic.twitter.com/kxhlgwWjuA
(leo)
In Israel ist das nicht so. Die israelische Regierung wird von den eigenen Medien und von der eigenen Bevölkerung regelmässig heftig kritisiert und wer Oppositionspolitik betreibt fällt nicht im Straflager tot um. Deshalb macht ein Ausschluss von Wettkämpfen nicht mal dann Sinn, wenn man den Krieg im Gaza für nicht gerechtfertigt hält.
Das ESC Publikum ist zum Fremdschämen 🙈
Aber im Ernst: Der ESC war schon immer Politisch - wie war das als der Russland-Ukraine Konflikt angefangen hat, hat doch Ukraine im 2022 gewonnen. Mit einem Lied, dass nicht sehr gut war. Also naja....
Aber da war es ja okay, weil..?
Anyway, für mich bleiben die Finnen hoch im Kurs. Jedesmal lache ich tränen wenn ich die Performance sehe. Aber Norwegen hat das beste Lied - und dann erst noch auf Norwegisch <3