Wenn in der Tierra Caliente im Westen von Mexiko die schwarzen Geländewagen der Narcos auf den langgestreckten Hügelketten auftauchen, verstecken die Dorfbewohner ihre Töchter in Erdlöchern. Zu oft haben die Handlanger der mächtigen Drogenkartelle schon Mädchen entführt. Sie werden in die Prostitution im In- und Ausland verkauft oder zu Sexsklavinnen der Bosse gemacht.
Eine Indiofrau erzählte der Schriftstellerin Jennifer Clement zum ersten Mal von den Erdlöchern auf den Feldern. Die in Mexiko aufgewachsene US-Autorin ging der Geschichte nach und schrieb basierend auf wahren Ereignissen den Roman «Gebete für die Vermissten», der jetzt auf Deutsch erscheint.
«Ich habe allen gesagt, ich hätte einen Jungen bekommen», erzählt darin die Mutter der Protagonistin Ladydi García. «Wenn sie gewusst hätten, dass du ein Mädchen bist, hätten sie dich mitgenommen.»
Während der Recherchen für ihr Buch führte Clement in ganz Mexiko Interviews mit «versteckten» Frauen, sprach mit Experten und Ermittlern. «Traurigerweise ist heute das lukrativste Geschäft der Menschenhandel», sagt Clement der Nachrichtenagentur DPA. «Drogen kann man nur einmal verkaufen, aber eine Frau immer wieder, sogar mehrmals am Tag.»
Auch wenn die Unterwelt im Macho-Land Mexiko noch immer von Männern dominiert wird, sind die Frauen nicht ausschliesslich Opfer. Als Schmugglerinnen, Informantinnen und Auftragskillerinnen mischen sie mittlerweile selbst kräftig im Drogenhandel mit. Andere bändeln mit den Kartellbossen an, die Luxus und sozialen Aufstieg versprechen.
«Scheiss' auf die Schule, ich will ein Narco sein», sagt eine Schülerin aus der Drogenhochburg Sinaloa in einer Reportage, die der mexikanische Fernsehsender Televisa in der vergangenen Woche ausstrahlte.
In dem Bundesstaat im Nordwesten des Landes ist die sogenannte Narco-Cultura längst Mainstream. «In Sinaloa gehört der Drogenhandel zum Alltag, er ist ein Lebensstil, ein kulturelles Phänomen», sagt der Journalist Javier Valdéz.
Cindy trieb sich jahrelang mit den Narcos in der Kartellhochburg Michoacán herum. Sie und ihre Freundinnen begleiteten die Gangster auf ihren Touren, dienten als Tarnung. Dafür bekamen sie Geld, Kleidung, Schuhe und Handys. «Ich wollte Spass haben», sagt Cindy.
Cindy war nur ein kleines Rad im Getriebe, doch es gibt auch Frauen, die in den Kartellen richtig Karriere machen. Sandra Ávila Beltrán hielt für das Sinaloa-Kartell jahrelang den Kontakt zu den kolumbianischen Drogenhändlern aus dem Valle del Norte und schmuggelte tonnenweise Kokain in die USA.
Der «Reina del Pacífico» wurden Lieder – sogenannte «Narcocorridos», populäre Balladen, die das Leben der Drogenmafioso verherrlichen – und Bücher gewidmet, sogar eine Telenovela erinnert an die Karriere der «Königin des Pazifiks».
Während Ávila Beltrán die Logistikerin der Narcos war, soll Claudia Ochoa Félix eher die Frau fürs Grobe gewesen sein. Nachdem ihr Freund in Holland festgenommen wurde, übernahm sie Medienberichten zufolge den bewaffneten Arm des Sinaloa-Kartells, «Los Ántrax».
“@ComplexMag: Meet Kim Kardashian of Mexico. Shes a contract killer for a drug cartel: http://t.co/kXifCGgyd0 pic.twitter.com/SOWs5RzBfK” SWAG
— foyin og (@foyinog) 26. Juli 2014
Zwar wies sie die Vorwürfe stets zurück, doch Zweifel bleiben: Auf Twitter führte sie neben eleganter Kleidung und teueren Autos auch gerne ihre grosskalibrigen Spielzeuge vor: Granatwerfer und vergoldete Sturmgewehre.
Meet the Mexican Kim Kardashian who reportedly heads a drug cartel hit squad http://t.co/NOwt7sb49W pic.twitter.com/5ZOiEXWKsv
— IBTimes UK (@IBTimesUK) 6. Juni 2014
Is Claudia Ochoa Felix the World's Hottest Drug Boss? + Pictures http://t.co/orqP7v0ru5
— Francisco J. Pelayo (@FranPelayo) 5. Juni 2014
(wst/sda/dpa)