Gesellschaft & Politik
Drogen

«Scheiss auf die Schule, ich will ein Narco sein»

Anahi Beltran Cabrera, Mitglied des Beltran-Leyva-Kartells, war im Besitz eines erstaunlichen Waffenarsenals, als sie 2009 von den mexikanischen Behörden verhaftet worden war.Bild: AP
Frauen im mexikanischen Drogenhandel

«Scheiss auf die Schule, ich will ein Narco sein»

In den Hochburgen der mexikanischen Kartelle werden Frauen und Mädchen zur Prostitution oder zum Drogenschmuggel gezwungen. Immer wieder schliessen sie sich aber auch freiwillig den Syndikaten an. Einige machen sogar erstaunliche Karrieren in dem rauen Geschäft.
15.09.2014, 14:1615.09.2014, 15:32
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Wenn in der Tierra Caliente im Westen von Mexiko die schwarzen Geländewagen der Narcos auf den langgestreckten Hügelketten auftauchen, verstecken die Dorfbewohner ihre Töchter in Erdlöchern. Zu oft haben die Handlanger der mächtigen Drogenkartelle schon Mädchen entführt. Sie werden in die Prostitution im In- und Ausland verkauft oder zu Sexsklavinnen der Bosse gemacht.

Sandra Ávila Beltrán, mutmassliche Informantin des Drogenkartells Sinaloa, wird im August 2013 an die mexikanischen Behörden ausgeliefert – Polizeiaufnahme aus dem Jahr 2007.
Sandra Ávila Beltrán, mutmassliche Informantin des Drogenkartells Sinaloa, wird im August 2013 an die mexikanischen Behörden ausgeliefert – Polizeiaufnahme aus dem Jahr 2007.Bild: DPA MEXICAN POLICE

Lukrativer Menschenhandel

«Drogen kann man nur einmal verkaufen, aber eine Frau immer wieder, sogar mehrmals am Tag.»
Jennifer Clement, Schriftstellerin

Eine Indiofrau erzählte der Schriftstellerin Jennifer Clement zum ersten Mal von den Erdlöchern auf den Feldern. Die in Mexiko aufgewachsene US-Autorin ging der Geschichte nach und schrieb basierend auf wahren Ereignissen den Roman «Gebete für die Vermissten», der jetzt auf Deutsch erscheint.

«Ich habe allen gesagt, ich hätte einen Jungen bekommen», erzählt darin die Mutter der Protagonistin Ladydi García. «Wenn sie gewusst hätten, dass du ein Mädchen bist, hätten sie dich mitgenommen.»

Während der Recherchen für ihr Buch führte Clement in ganz Mexiko Interviews mit «versteckten» Frauen, sprach mit Experten und Ermittlern. «Traurigerweise ist heute das lukrativste Geschäft der Menschenhandel», sagt Clement der Nachrichtenagentur DPA. «Drogen kann man nur einmal verkaufen, aber eine Frau immer wieder, sogar mehrmals am Tag.»

Auch wenn die Unterwelt im Macho-Land Mexiko noch immer von Männern dominiert wird, sind die Frauen nicht ausschliesslich Opfer. Als Schmugglerinnen, Informantinnen und Auftragskillerinnen mischen sie mittlerweile selbst kräftig im Drogenhandel mit. Andere bändeln mit den Kartellbossen an, die Luxus und sozialen Aufstieg versprechen.

«Scheiss' auf die Schule, ich will ein Narco sein», sagt eine Schülerin aus der Drogenhochburg Sinaloa in einer Reportage, die der mexikanische Fernsehsender Televisa in der vergangenen Woche ausstrahlte. 

Das Beispiel Claudia Ochoa Felix zeigt: Frauen sind nicht ausschliesslich Opfer im lateinamerikanischen Drogenkrieg. 
Das Beispiel Claudia Ochoa Felix zeigt: Frauen sind nicht ausschliesslich Opfer im lateinamerikanischen Drogenkrieg. Bild: twitter
«In Sinaloa gehört der Drogenhandel zum Alltag, er ist ein Lebensstil, ein kulturelles Phänomen.»
Javier Valdéz, Journalist

In dem Bundesstaat im Nordwesten des Landes ist die sogenannte Narco-Cultura längst Mainstream. «In Sinaloa gehört der Drogenhandel zum Alltag, er ist ein Lebensstil, ein kulturelles Phänomen», sagt der Journalist Javier Valdéz.

«Ich wollte Spass haben»

Cindy trieb sich jahrelang mit den Narcos in der Kartellhochburg Michoacán herum. Sie und ihre Freundinnen begleiteten die Gangster auf ihren Touren, dienten als Tarnung. Dafür bekamen sie Geld, Kleidung, Schuhe und Handys. «Ich wollte Spass haben», sagt Cindy. 

Konfiszierte Pistole eines Kartellführers – die mexikanischen Narcos schmücken sich gerne mit extravaganten Waffen.Bild: AP Procuraduria General de la Republica

Cindy war nur ein kleines Rad im Getriebe, doch es gibt auch Frauen, die in den Kartellen richtig Karriere machen. Sandra Ávila Beltrán hielt für das Sinaloa-Kartell jahrelang den Kontakt zu den kolumbianischen Drogenhändlern aus dem Valle del Norte und schmuggelte tonnenweise Kokain in die USA. 

«Narcocorrido» über die «Reina del Pacifico».youtube/tigresdelnorte

Der «Reina del Pacífico» wurden Lieder – sogenannte «Narcocorridos», populäre Balladen, die das Leben der Drogenmafioso verherrlichen – und Bücher gewidmet, sogar eine Telenovela erinnert an die Karriere der «Königin des Pazifiks».

Der TV-Sender Telemundo hat das Leben von Sandra Ávila Beltrán verfilmt, herausgekommen ist die Seifenoper «Señora Acero». youtube/telemundo

Die Kim Kardashian des Drogenhandels

Während Ávila Beltrán die Logistikerin der Narcos war, soll Claudia Ochoa Félix eher die Frau fürs Grobe gewesen sein. Nachdem ihr Freund in Holland festgenommen wurde, übernahm sie Medienberichten zufolge den bewaffneten Arm des Sinaloa-Kartells, «Los Ántrax». 

Zwar wies sie die Vorwürfe stets zurück, doch Zweifel bleiben: Auf Twitter führte sie neben eleganter Kleidung und teueren Autos auch gerne ihre grosskalibrigen Spielzeuge vor: Granatwerfer und vergoldete Sturmgewehre

Claudia Ochoa Felix an einer Pressekonferenz – die Mexikanerin will nichts wissen von einer Verbindung zur Drogenmafia.  youtube/zoominTV

(wst/sda/dpa)

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