Die Nachricht vom Erbe des Gurlitt-Vermögens löste in Bern freudige Überraschung aus. Doch die Annahme der Erbschaft durch die Stiftung Kunstmuseum Bern scheint höchst fraglich, wie namhafte Kunstexperten prophezeien. Zu gross seien die Hindernisse, das Gurlitt-Erbe könne sich als trojanisches Pferd erweisen, sagt der Zürcher Kunstrechtsexperte Andrea Raschèr zum «SonntagsBlick».
Als grösste Schwierigkeit sieht er die Erbschaftssteuer, die Deutschland vom künftigen Eigentümer fordern wird. Diese beträgt bis zu 50 Prozent des Vermögenswertes und könnte die Stiftung Kunstmuseum Bern zwischen 50 und 150 Millionen Franken kosten.
Auch Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät ist sich bewusst, dass eine Annahme des Erbes für Bern und sein Kunstmuseum eine enorme Herausforderung bedeuten würde: «Die Annahme dieser Erbschaft kann man nur ins Auge fassen, wenn man bereit ist, die historischen Hintergründe ganz sauber abzuklären», sagt er zur «SonntagsZeitung».
Während Matthias Frehner, der Direktor des Kunstmuseums Bern, eine Verwendung von Schweizer Steuergeldern für diese Aufgabe, die nach einer Annahme der Erbschaft dem Museum zukäme, als ein «No-go» bezeichnet, stellt sich Tschäppät eine Zusammenarbeit «aller interessierten Kreise» vor, also von Deutschland, Bayern und der Schweiz. Im Falle einer solchen Zusammenarbeit «müssen auch öffentliche Gelder eingesetzt werden», sagt Tschäppät.
Kommende Woche reist eine Delegation des Kunstmuseums Bern nach München, um sich erstmals die Sammlung Gurlitts zeigen zu lassen. Dies berichtet die «SonntagsZeitung». Innert der nächsten drei Wochen will der Stiftungsrat des Museums zum Thema tagen. Er hat sechs Monate Zeit, um zu entscheiden, ob er das Erbe annehmen will. Schlägt Bern dieses aus, wird es vermutlich an Gurlitts Cousin Dietrich und Cousine Uta fallen.
Dass Cornelius Gurlitt seine millionenschwere Bildersammlung gerade dem Kunstmuseum Bern vermacht, stösst in seiner Familie auf Unverständnis. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, ficht der Nachfahre Ekkehart Gurlitt das Testament an. Der 65-Jährige könne den Entscheid des Kunstsammlers gar nicht verstehen. Und schon gar nicht, dass die Schweizer «in ihrer Gier» auch noch Anrecht auf das Bargeld und die Immobilien von Roco geltend machen. (rey)