Vier Frauen und acht Männer präsentierten sich am Dienstag in Westerville im Bundesstaat Ohio dem amerikanischen Fernsehpublikum. Eine Debatte mit zwölf Teilnehmenden hat es in der Geschichte der US-Präsidentschaftswahlen noch nie gegeben. Entsprechend schwierig war es für sie angesichts der eingeschränkten Redezeit, sich im besten Licht zu präsentieren.
Immerhin gelang den Demokraten erstmals «eine ernsthafte Konversation darüber, wie sie die Partei und das Land verändern wollen», so das Magazin Politico. Am Grundproblem aber hat die vierte Debatte wenig geändert: Das Feld der Kandidierenden ist gross und für den Durchschnittswähler schwer überschaubar. Erst langsam trennt sich die Spreu vom Weizen.
Die Analysen in den US-Medien erlauben dennoch gewisse Schlussfolgerungen zum Formstand der Frauen und Männer, die Donald Trump aus dem Amt jagen wollen. Sofern dies nicht durch das angestrebte Impeachment im Kongress geschieht, das am Dienstag nur ganz am Anfang angesprochen wurde. Ansonsten zogen es die Kandidierenden vor, über Themen zu reden.
Sen. Elizabeth Warren was the focus of many of her fellow 2020 Democratic candidates' attacks during Tuesday night's #DemDebate https://t.co/UTJWurprBu pic.twitter.com/axN9av537M
— CNN (@CNN) October 16, 2019
Drei Namen ragen aus der Masse hervor: Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts liegt nach schwachem Start zu Jahresbeginn in den meisten Umfragen in Führung. Diese Position hat die 70-Jährige am Dienstag nach Ansicht vieler Kommentatoren gefestigt. Mühe bekundete sie vor allem bei der Frage, wie sie die angestrebte staatliche Einheits-Krankenkasse finanzieren will.
Dank Warrens Aufstieg war der frühere Vizepräsident Joe Biden nicht mehr die Hauptzielscheibe der Konkurrenz. Dennoch war sein Auftritt einmal mehr durchzogen, die meisten Analysen stufen ihn als Debatten-Verlierer ein. «Er muss zulegen, wenn er mit Warren mithalten will», brachte es die BBC auf den Punkt. Und bei der Ukraine-Affäre gilt die Devise: Etwas bleibt immer hängen.
WATCH: "My son did nothing wrong. I did nothing wrong," @JoeBiden said at the #DemDebate (📽️: CNN)
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Here's what we know about the Bidens in Ukraine ➡️ https://t.co/ZOKiN5rOK4 pic.twitter.com/lgimvlJoPW
Er und sein Sohn hätten «nichts falsch gemacht», betonte Biden. Der Verdacht aber bleibt, dass Hunter Biden sich als «Daddy's Boy» lukrative Pöstchen sicherte, ohne etwas dafür zu leisten. Ein baldiger Ausstieg von Joe Biden aus dem Präsidentschaftsrennen ist trotzdem nicht in Sicht, zum Leidwesen anderer Kandierender mit moderatem Profil, denen er vor der Sonne steht.
"I'm healthy, I'm feeling great," Bernie Sanders said at the #DemDebate. @CoryBooker interrupted to note that Sanders was in favor of medical marijuana. “I’m not on it tonight,” Sanders joked https://t.co/m2II1CK3K8 pic.twitter.com/NLfT7rchVj
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Bleibt Bernie Sanders. Der selbst ernannte Sozialist war nach seinem Herzinfarkt bemüht, sich angriffig wie eh und je zu präsentieren. Dies gelang ihm nach Ansicht der Analysten, dennoch kommt er in den Umfragen kaum vom Fleck. Nun wollen ihm mit Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar und Rashida Tlaib drei Mitglieder der so genannten «Squad» ihre Unterstützung zusichern.
Der Support der drei prononciert linken Kongressabgeordneten könnte sich als zweischneidig erweisen und Sanders bei gemässigten Wählern wenig helfen. Und seine Krankenakte wird ihn weiter verfolgen. Denn eher lässt der Klimawandel Palmen am Südpol spriessen, als dass die Amerikaner einen knapp 80-jährigen Herzpatienten ins Weisse Haus wählen werden.
Bislang hat es niemand geschafft, das Spitzentrio ernsthaft zu bedrängen. Daran dürfte sich nach der Debatte vom Dienstag wenig ändern. Die grössten Hoffnungen kann sich Pete Buttigieg machen, dem ein starker Auftritt gelang. Der 37-Jährige will sich als gemässigte Alternative zu Joe Biden ins Spiel bringen. Zumindest dies könnte er schaffen, glaubt etwa die Website Vox.
As an American, I’m outraged by this commander in chief's betrayal. As a veteran, I’m deeply disturbed to hear soldiers say he has robbed them of their honor. If you take away a soldier’s honor, you might as well take away their armor. That’s what he has done. #DemDebate pic.twitter.com/FDx2pB4RpM
— Pete Buttigieg (@PeteButtigieg) October 16, 2019
Ähnliche Hoffnungen macht sich der Unternehmer Andrew Yang, der mit dem bedingungslosen Grundeinkommen vor allem junge Wählerinnen und Wähler anspricht. Quereinsteiger aber haben es gegen die Politprofis in der Regel schwer. Eine Erfahrung, die auch der Milliardär Tom Steyer am Dienstag machen musste. Er blieb blass. Dennoch werden beide im Rennen bleiben.
Immer unerfreulicher sieht es hingegen für die kalifornische Senatorin Kamala Harris aus. Sie war einer der Stars der ersten Debatte im Juni. Seither ging es für sie nur noch bergab, und ihr Auftritt am Dienstag dürfte keine Trendwende bewirkt haben. Kommentatoren spekulieren bereits, sie wolle sich – wie der schwarze Senator Cory Booker – für das Vizepräsidium empfehlen.
Für den Rest des Bewerberfelds geht es ums politische Überleben. Der moderaten Senatorin Amy Klobuchar aus Minnesota gelang erstmals eine gute Performance, doch das war wohl zu wenig und zu spät. Die bislang grösste Enttäuschung ist der Texaner Beto O'Rourke, der seinen guten Ruf aus dem letztjährigen Senatswahlkampf bislang nur ansatzweise bestätigen konnte.
Beto O'Rourke on the impeachment inquiry: "We have a responsibility to be fearless in the face of this President's criminality and his lawlessness." #DemDebate https://t.co/9L8l7EYGax pic.twitter.com/Kb1hSAxR7D
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Ähnlich wie Kamala Harris erging es Julian Castro. Der frühere Bauminister überzeugte in der ersten Debatte und kommt seither nicht mehr auf Touren. Und die Abgeordnete Tulsi Gabbard aus Hawaii, die als Letzte ins Zwölferfeld gerutscht war, irritierte mit ihrer beharrlich vorgetragenen Behauptung, die USA hätten in Syrien einen Regimewechsel angestrebt.
Dieses Quartett wird es schwer haben, sich für die nächste Debatte am 20. November im Bundesstaat Georgia zu qualifizieren. Bei den erforderlichen Umfragewerten sieht es düster aus. Noch haben sie knapp einen Monat Zeit, die Hürde zu nehmen. Andernfalls heisst es: Wie lange noch? Vermutlich werden sie versuchen, bis zur ersten Vorwahl am 3. Februar 2020 in Iowa durchzuhalten.
Und die restlichen sieben Demokratinnen und Demokraten, die sich um die Präsidentschaft bemühen – wer kennt eigentlich ihre Namen? –, müssen sich fragen, was sie erreichen wollen, ausser PR in eigener Sache. Niemand erfüllt auch nur ein Kriterium für eine Debatten-Teilnahme.